Der Augenblick könnte zu einem Lehrstück für politische Inszenierung werden. Jedenfalls war es der Moment, als all jene, die Armin Laschet unterschätzt haben, innehalten mussten. Beim CDU-Parteitag trat der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen neben das Pult und holte eine Messingmünze mit der Ziffer 813 aus der Hosentasche. Das sei die Erkennungsmarke seines Vaters als Bergmann, sagte der 59-jährige Aachener, der zuvor lange über Vertrauen und Zusammenhalt gesprochen hatte. Er habe sie nach seinen Jahren unter Tage als Schlüsselanhänger verwendet, damit sie ihn an das Vertrauen erinnere, das er im Stollen gelernt habe. Man habe sich vertrauen müssen, egal woher man kam. Sein Vater habe ihm die Marke als Glücksbringer mitgegeben und auch den Satz: „Sag den Leuten, sie können dir vertrauen.“
Mit diesem emotionalen Ausfallschritt hat Laschet seine beiden Kontrahenten im Kampf um den Parteivorsitz hinter sich gelassen. Überraschend klarer, als die meisten erwartet haben. Denn Laschet lag lange Zeit deutlich hinter Friedrich Merz und meist gleichauf mit NorbertRöttgen, den viele ohnehin nur als Außenseiter angesehen haben. Zuschreiben lassen musste sich das Laschet selbst. Sein Krisenmanagement im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland wurde massiv kritisiert. Seine Auftritte in der ersten Coronawelle wurde zum Popularitätsdesaster. Zudem wirkte er in der Krise zu oft unentschieden, was die Maßnahmen anging. Laschet gilt innerparteilich als nett, milde, gemütlich, aber vermittelt nicht das Bild eines Anpackers.
Dass Laschet neben Friedrich Merz auch Röttgen so eindeutig hinter sich ließ, wird er mit Genugtuung sehen. Denn 2010 verlor er gegen den damaligen Bundesumweltminister im Kampf um den Parteivorsitz in seinem Bundesland. Es entstand öffentlich der Mythos des ewigen Zweiten, obwohl Laschet Röttgen schon zwei Jahre später wieder ablöste, nachdem dieser als Spitzenkandidat in der Landtagswahl gescheitert war. Überraschenderweise siegte der dreifache Vater dann 2017 auch aus der Opposition heraus gegen die beliebte sozialdemokratische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Laschet ging mit der FDP eine Koalition ein.
In der katholischen Kirche sozialisiert
Laschet wurde in einem katholischen Elternhaus in Aachen geprägt. Sein Vater wechselte spät in den Lehrberuf. Schon als Schüler engagierte sich der Sohn bei den Christdemokraten und auch in der kirchlichen Jugendarbeit. Nach dem Jusstudium in Bonn und München startete er als Radiojournalist und übernahm 1991 die Chefredaktion der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen. 1994 zog er in den Bundestag ein und schloss sich als Unionspolitiker den „Jungen Wilden“ an, die mit den Grünen im Parlament über neue Wege etwa in der Migrationspolitik diskutierten. Integrationspolitik wurde zu einem politischen Schwerpunkt. Er unterstützte 2015 auch die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. Bereits 2018, nach ihrem Rücktritt von der CDU-Spitze, wurde er als möglicher Nachfolger für beide Ämter gehandelt, ließ aber damals Annegret Kramp-Karrenbauer in der CDU den Vortritt.
Ingo Hasewend