Der Schreck über den Sturm auf das Kapitol in Washington sitzt bei vielen Menschen in den USA noch tief. Nächste Woche, am 20. Jänner, findet dort die Angelobung des neuen Präsidenten Joe Biden statt. Die Sorge, es könnte wieder zu Krawallen und Gewaltexzessen kommen, ist schon im Vorfeld groß. Experten warnen indes verstärkt vor einer Eskalation wegen vermehrter Aufrufe extremistischer Gruppen im Internet.
Es sind Anhänger der rechtsradikalen Proud Boys, der Boogaloo-Bewegung oder der Verschwörungstheorie QAnon, die in der jüngeren Vergangenheit zu Protesten aufgerufen hatten, erklärte der frühere FBI-Spionageabwehr-Chef Frank Figliuzzi jüngst dem Nachrichtenmagazin "Time".
Fans im rechten Spektrum
Trump hatte im Wahlkampf mit Aussagen über die Proud Boys Begeisterung im rechten Spektrum ausgelöst. In einer unsäglichen TV-Debatte mit Joe Biden hatte er sich sogar geweigert, rechtsradikale Gruppen eindeutig zu verurteilen. "Wen soll ich verurteilen?", fragte der Präsident damals. Biden warf daraufhin den Namen "Proud Boys" ein. Trump sagte dann: "'Proud Boys' - haltet euch zurück und haltet euch bereit."
Das Trump-Lager wollte das als Aufruf gegen Gewalt verstanden wissen. Die Proud Boys fühlten sich durch Trumps Aussage laut Experten aber erst recht ermutigt loszulegen.
Die US-Bürgerrechtsorganisation ADL (Anti-Defamation-League/Anti-Diffamierungs-Liga) stuft die Proud Boys als Strömung im rechten amerikanischen Extremismus ein. Die Gruppe könne unter anderem als gewalttätig, nationalistisch und islamophob beschrieben werden, beurteilt die ADL. Es sei bekannt, dass Mitglieder gewalttätige Taktiken anwenden würden. Mehrere von ihnen seien wegen Gewaltverbrechen bereits verurteilt worden.
Sturm aufs Kapitol "erst der Anfang"
Für den deutschen Terror-Experten Peter Neumann waren die Ereignisse des 6. Jänners, der Sturm auf das Kapitol in Washington, „erst der Anfang“, berichtet n-tv.
„Was wir am Mittwoch gesehen haben, war noch kein Terrorismus - aber selten hat sich eine terroristische Bewegung so spektakulär angekündigt“, sagte Neumann dem deutschen Nachrichtensender. Nach der Amtsübergabe an den gewählten US-Präsidenten Joe Biden am 20. Jänner könnte auch die letzte Zurückhaltung einiger gewaltbereiter Trump-Anhänger fallen. „Die Essenz von QAnon ist der Glaube, dass die Regierung der USA und eigentlich das gesamte Establishment von einer satanischen Sekte beherrscht wird, der es darum geht, ein Netzwerk von Kinderschändern zu protegieren“, beschreibt Neumann den Verschwörungs-Glauben, dem auch viele Trump-Loyalisten anhängen.
Für einige Trump-Fans sei die Erstürmung des Kapitols in Washington ein Erfolg gewesen, sagte jüngst auch der Cybersecurity-Forscher John Scott-Railton zu CNN. Selbst wenn Menschen dabei ums Leben kamen. „Während die breite Öffentlichkeit bestürzt war über die Geschehnisse", werde in bestimmten Rechtsaußenecken das, was passiert sei, als Erfolg bewertet, erklärte der Cybersecurity-Experte im Nachrichtensender. Er sei "schrecklich besorgt", dass am Tag der Angelobung Bidens Schlimmes passieren könnte.