Auf Israel war der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan seit Jahren nicht gut zu sprechen: „Staatsterrorismus“ und „Völkermord“ warf er dem Land vor. Jetzt will Erdogan die Beziehungen „zu einem besseren Punkt bringen“.Ein Grund dafür ist der bevorstehende Regierungswechsel in den USA. Aber es gibt eine große Hürde.

Seit dem Mai 2018 haben die beiden Staaten keine Botschafter mehr im jeweils anderen Land. Damals setzte die Türkei dem israelischen Botschafter den Stuhl vor die Tür, als Reaktion auf die blutige Niederschlagung der Palästinenserproteste in Gaza.

Aber mit der Wahl von Joe Biden zum neuen US-Präsidenten scheint sich ein Tauwetter in der türkisch-israelischen Eiszeit anzukündigen. Gleich nach Bidens Wahl knüpfte der türkische Geheimdienstchef und Erdogan-Vertraute Hakan Fidan noch im November erste Kontakte zu Israel. Ziel der Bemühungen ist der Austausch von Botschaftern. Das wäre ein erster Schritt zur Wiederannäherung.

Geheime Kontakte

Inzwischen bestätigen türkische Offizielle die anfangs geheim gehaltenen Kontakte. „Wenn Israel einen Schritt entgegenkommt, könnte die Türkei zwei Schritte machen“, sagte vergangene Woche Erdogans außenpolitischer Berater Mesut Casin der Voice of America. Für beide Länder sei es wichtig, für „Frieden und die Sicherheit in der Region“ zu arbeiten. Auch Erdogan selbst bestätigte die laufenden Gespräche. „Wenn wir nicht diese Probleme auf höchster Ebene hätten, könnten die Beziehungen „ganz anders aussehen“, sagte er am Freitag vor Reportern.

Das war eine Anspielung auf das vergiftete persönliche Verhältnis des türkischen Präsidenten mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu. Die beiden Politiker haben sich in den vergangenen Jahren wenig geschenkt: Erdogan warf Netanjahu „Massaker an Frauen und Kindern“ vor, der wiederum nannte Erdogan einen „antisemitischen Diktator“.

Einst verbündet

Israel und die Türkei waren in den 1990er Jahren enge militärische Verbündete. Aber seit Erdogans Regierungsantritt 2003 verschlechterten sich die Beziehungen kontinuierlich. Einen Tiefpunkt erreichten sie im Mai 2010 mit dem Angriff eines israelischen Spezialkommandos auf das türkische Schiff „Mavi Marmara“, das die israelische Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen wollte. Bei der Erstürmung wurden neun Türken getötet.

Die Wiederannäherung an Israel ist Teil einer außenpolitischen Kurskorrektur. Erdogan versucht in Washington Punkte zu sammeln und weitere Sanktionen abzuwenden, die der Türkei wegen ihrer Rüstungsgeschäfte mit Russland nach Bidens Amtsübernahme drohen könnten. Er hofft auch, die wachsende Isolation zu überwinden, in die sein Land geraten ist, nachdem immer mehr arabische Staaten ihre Beziehungen zu Israel normalisieren. Israel und die Türkei haben überdies einige gemeinsame Interessen. Dazu gehört vor allem, den wachsenden Einfluss des Iran in der Region zurückzudrängen. Auch als Waffenlieferant könnte Israel für die Türkei größere Bedeutung gewinnen.

Es gibt aber auch Konflikte. Dazu gehört vor allem Erdogans Rolle als Patron radikal-islamischer Bewegungen wie der Muslimbruderschaft und ihres Ablegers, der Hamas, die von der EU, den USA und zahlreichen anderen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird. Israel wirft der Türkei vor, dass sie dieses Jahr ein Dutzend führende Hamas-Funktionäre eingebürgert habe. Die USA kritisierten im vergangenen Sommer, dass Erdogan „einer Terrororganisation die Hand ausstreckt“. Erklärtes Ziel der Hamas ist die Zerstörung Israels. Wenn der türkische Staatschef weiter seine schützende Hand über die Terrororganisation hält, könnte die Annäherung mit Israel schnell an ihre Grenzen geraten.