„Es war ein sehr hartes und kompliziertes Jahr”, sagte Spaniens König Felipe VI. dieser Tage. Spaniens Medien sprechen von einem „annus horribilis“, einem schrecklichen Jahr, für den 52-jährigen Felipe und Königin Letizia (48). Ein königliches Horrorjahr, in dem die Enthüllungen über die Machenschaften des 82 Jahre alten Juan Carlos, den Vater Felipes, die Krone in eine tiefe Glaubwürdigkeitskrise stürzten. So tief, dass die die spanische Regierung nun auf Reformen im Palast drängt, um der Monarchie neue Glaubwürdigkeit einzuimpfen.
Ein kleiner Rückblick: Im Frühjahr 2020 kam ans Tageslicht, dass Juan Carlos während seiner Zeit als königliches Staatsoberhaupt (1975-2014) prall gefüllte Millionenkonten mit Schwarzgeldern in ausländischen Finanzoasen unterhielt. Gelder, die der König im Ruhestand möglicherweise als verdeckte Gegenleistung für die Vermittlung von Geschäften kassierte. Zum Beispiel für die Einfädelung eines milliardenschweren Bahnprojektes zwischen Saudi-Arabien und der spanischen Industrie, für die er 2008 angeblich 100 Millionen Dollar kassiert haben soll.
Notwendiger Bruch mit dem Vater
Enthüllungen mit dramatische Folgen: Spaniens Justiz startete Ermittlungen wegen des Verdachts der Korruption, der Steuerhinterziehung und der Geldwäsche. Und Felipe sah sich gezwungen, mit seinem Vater zu brechen. Erst verzichtete der Thronfolger angesichts der fragwürdigen Herkunft des väterlichen Vermögens auf alle finanziellen Erbansprüche. Dann warf er seinen Vater sogar aus dem Königspalast und drängte ihn, das Land zu verlassen.
Seit August befindet sich Juan Carlos in einer Art Verbannung in den Vereinigten Arabischen Emiraten, mit deren Herrscherfamilie er befreundet ist. Sein Bitten, wenigstens über Weihnachten und den Jahreswechsel nach Spanien zurückzukehren zu dürfen, war vergeblich. „Die Tür des Königspalastes bleibt geschlossen“, schrieb die monarchische Zeitung „ABC“. Felipe habe entschieden, dass die Zeit für eine Rückkehr des alten Königs noch nicht reif sei.
Unterdessen kämpft Felipe in seinem Land darum, das königliche Ansehen wieder etwas aufzupolieren. In seiner jüngsten TV-Ansprache erinnerte er daran, dass die „moralischen und ethischen Grundsätze“ für alle Bürger und somit auch für die Königsfamilie gelten. Dies wurde als Ohrfeige für Juan Carlos interpretiert. Und als Signal, dass Felipe zu weiteren drastischen Schritten bereit ist, um den Ruf der Monarchie zu retten.
Regierung nimmt das Königshaus an die Kandare
Zugleich wurde bekannt, dass Spaniens Mitte-links-Regierung das Königshaus einer stärkeren Kontrolle unterwerfen will. Der Juniorpartner des sozialistischen Premiers Pedro Sánchez, die Linkspartei Podemos, will einen entsprechenden Gesetzentwurf ins Parlament einbringen. Das geplante Krongesetz soll regeln, „was der König tun darf und was nicht“, kündigte Podemos-Fraktionschef Jaume Asens an.
Auch die in der Regierung tonangebenden Sozialisten signalisierten, dass sie zu Reformen bereit seien. Ministerpräsident Sánchez bestätigte, dass mit Felipe über „mehr Transparenz und Vorbildlichkeit“ im Königshaus verhandelt werde. „Die Erneuerung wird weitergehen.“
Dass es Handlungsbedarf gibt, steht außer Frage. „Es kann nicht sein, dass wir durch kriminalpolizeiliche Ermittlungen von Konten erfahren, die Juan Carlos im Ausland hat“, sagte Podemos-Sprecher Asens. Es müsse verboten werden, dass der König, der ein öffentliches Gehalt in seiner Eigenschaft als Staatsoberhaupt beziehe, Geschäfte als Vermittler machen könne. Und: „Der Staatschef muss ein Beispiel geben und seine Steuern in Spanien zahlen.“
Ruf nach mehr Transparenz
In der Tat ist es derzeit so, dass Spaniens König der einzige Amtsträger des Landes ist, der sein Vermögen nicht offenlegen muss. Über das wahre Vermögen des Altkönigs wie auch seines Nachfolgers Felipe kann daher nur spekuliert werden. Das US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ schätzte allein Juan Carlos‘ Reichtümer in Geldanlagen und Immobilienbesitz auf annähernd zwei Milliarden Dollar.
Außerdem genießt Seine Majestät während der Zeit als Staatsoberhaupt völlige Straffreiheit, die in der Verfassung verankert ist. Mit der Folge, dass zum Beispiel Juan Carlos für jene dunklen Geschäfte, die er bis zu seiner Abdankung in 2014 machte, nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. Daher konzentrieren sich die Ermittlungen gegen ihn auf die Zeit nach seinem Abtritt, wo vor allem die Vorwürfe der Geldwäsche und des Steuerbetrugs relevant sein könnten.
Offenbar existiert aber auch für den Zeitraum nach 2014 noch reichhaltiges Belastungsmaterial, das Juan Carlos auf die Anklagebank bringen könnte. Vor allem deswegen versuchte der alte König vor einigen Wochen, mit einer freiwilligen Steuernachzahlung von knapp 700.000 Euro die Wogen zu glätten. Man wird sehen, ob dies die Strafverfolger und auch Spaniens empörte Öffentlichkeit besänftigen wird.
unserem Korrespondenten Ralph Schulze aus Madrid