Jane Holl Lute, seit dem Sommer 2018 Sonderbeauftragte des UNO-Generalsekretärs für die Zypernfrage, gilt als schweigsam. Die Einsilbigkeit der 64-jährigen US-Diplomatin könnte damit zu tun haben, dass zum Thema Zypern eigentlich alles gesagt ist. Seit über 46 Jahren drehen sich die Gespräche über eine Wiedervereinigung der geteilten Insel im Kreis.
Anfang Dezember sondierte Lute bei einem Besuch auf der Insel die Chancen einer Zypernkonferenz, an der neben den Vertretern der beiden Volksgruppen auch die Garantiemächte Griechenland, Türkei und Großbritannien teilnehmen sollen. Auch das ist kein neuer Ansatz. Bereits 2017 scheiterte ein solches Fünfertreffen im Schweizer Ferienort Crans-Montana. Diesmal sind die Erfolgsaussichten noch geringer. Denn während die Inselgriechen einen Bundesstaat wollen, arbeiten der türkische Volksgruppenführer Ersin Tatar und die Türkei auf eine Zwei-Staaten-Lösung hin.
Zypern ist seit dem Sommer 1974 geteilt. Damals besetzte die Türkei den Nordteil der Insel, die zu etwa 80 Prozent von ethnischen Griechen und zu knapp 20 Prozent von ethnischen Türken besiedelt war. Mit der Invasion durchkreuzte Ankara Pläne der damals in Athen regierenden Obristenjunta, Zypern zu annektieren und die türkische Volksgruppe zu vertreiben. Seither sind alle Einigungsversuche gescheitert. 1983 wurde im besetzten Teil der Insel die „Türkische Republik Nordzypern“ ausgerufen, die aber völkerrechtlich nur von der Türkei anerkannt wird.
Inselgriechen gegen Konföderation
Greifbar nah schien eine Zypernlösung 2004. Damals legte UNO-Generalsekretär Kofi Annan nach dreijähriger Vorarbeit einen Einigungsplan vor, der eine Konföderation aus zwei weitgehend selbständigen Teilstaaten vorsah. In einer Volksabstimmung nahmen zwei Drittel der Zyperntürken den Plan an. Aber die Inselgriechen lehnten ihn mit Dreiviertelmehrheit ab.
Neue Hoffnung auf eine Überwindung der Inselteilung weckte 2013 die Wahl von Nikos Anastasiades zum Präsidenten der Republik Zypern. Zwei Jahre später wählten die türkischen Zyprer mit großer Mehrheit Mustafa Akıncı zu ihrem Repräsentanten. Mit Anastasiades und Akıncı standen erstmals zwei engagierte Einigungsbefürworter an der Spitze der beiden Volksgruppen. Aber auch sie schafften keinen Durchbruch. Das lag teils an intensivem Störfeuer der Türkei, teils an mangelnder Kompromissbereitschaft der griechischen Zyprer, aber auch an der komplizierten politischen Gemengelage auf der geteilten Insel: Was soll aus den 35 000 türkischen Besatzungssoldaten werden? Wie können die Eigentumsrechte und Entschädigungsansprüche der Vertriebenen beider Volksgruppen geregelt werden? Welches Maß an Autonomie sollen die beiden Gemeinschaften in einem künftigen Bundesstaat haben?
Im Oktober setzte sich Ersin Tatar bei der Wahl im Inselnorden gegen Akinci durch – mit massiver Unterstützung des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdoğan. Tatar ist ein nationalistischer Hardliner, der auf engere Bindungen des Inselnordens zur Türkei hinarbeitet.
Streit um Erdgasvorkommen
Auch die Rahmenbedingungen sind ungünstig. Vor der griechisch-zyprischen Hafenstadt Paphos kreuzt derzeit das türkische Forschungsschiff „Barbaros Hayreddin Pasa“. Es sucht nach Erdgasvorkommen unter dem Meeresgrund – in einem Gebiet, das nach den Regeln der UNO-Seerechtskonvention der Republik Zypern als ausschließliche Wirtschaftszone zusteht. Nicht nur dem EU-Staat Zypern macht die Türkei ihre Bodenschätze streitig, sondern auch Griechenland. Türkische Schiffe, eskortiert von Fregatten, suchen vor den griechischen Inseln Kastelorizo, Rhodos und Kreta nach Erdgas. Der Konflikt eskaliert seit Monaten. Er vergiftet auch das Klima auf Zypern.
Erdoğan erklärte Mitte November bei einem Besuch in Nordzypern, auf der Insel gebe es „zwei getrennte Völker und zwei getrennte Staaten“. Alle Wiedervereinigungspläne seien Vergangenheit, erklärte der Staatschef. Damit scheinen die Vermittlungsbemühungen der UNO-Sonderbeauftragten Jane Holl Lute schon gescheitert, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben.
unserem Korrespondenten Gerd Höhler aus Athen