Er sei ein „König des Schwarzgeldes“ gewesen, empören sich die Menschen auf der Straße. Die spanische Satirezeitschrift „El Jueves“ zeigte auf dem Titelblatt eine Karikatur, auf der Juan Carlos I. sich mit Reisetaschen voller Geld aus dem Staub macht. Unterdessen werden in immer mehr Städten Ehrenplaketten und Straßenschilder abmontiert, auf denen der Name des Ex-Monarchen prangte. Begründung: Juan Carlos sei heute kein beispielhafter Bürger mehr.
Vor vier Monaten ist der König im Ruhestand, der 2014 die Krone an seinen Sohn Felipe VI. übergab, im Ausland untergetaucht. Wie ein Dieb war Juan Carlos Anfang August in aller Heimlichkeit und über Nacht aus dem Palast in Madrid verschwunden. Inzwischen weiß man, dass er damals mit einem Privatjet nach Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten geflogen war. Ein Foto dokumentiert, wie er dort nach der Landung die Stufen der Gangway hinabklettert.
Seitdem wurde der 82-Jährige, gegen den zu Hause wegen unsauberer Geschäfte ermittelt wird, nicht mehr gesehen. Auch öffentliche Erklärungen gibt es nicht. Das spanische Königshaus schweigt. Und der Sicherheitsapparat der Arabischen Emirate, in denen es keine freie Presse gibt, sorgt ebenfalls dafür, dass keine unerwünschten Informationen an die Öffentlichkeit dringen.
Entsprechend brodelt die Gerüchteküche. Erst hieß es, Juan Carlos habe sich in einem Luxus-Hotel in Abu Dhabi eingemietet, wo er eine Suite bewohne, die rund 6000 Euro pro Nacht koste. Nun will Spaniens größte Zeitung „El País“ erfahren haben, dass der alte König auf Einladung der in den Emiraten regierenden Herrscherfamilie Al Nahyan in einem der vielen Paläste des Al-Nahyan-Clans lebe.
Halbwegs sicher ist nur, dass sich Juan Carlos derzeit noch in den Öl-Emiraten aufhält. Dafür spricht die Beobachtung eines spanischen Geschäftsmannes. Dieser traf kürzlich auf dem Airport Dubais, rund 140 Kilometer von Abu Dhabi entfernt, mit Juan Carlos‘ Tochter, Prinzessin Elena, zusammen. Sie war auf dem Rückweg nach Madrid. Man vermutet, dass sie ihren Vater besucht hatte.
Spaniens Hofpresse berichtet, dass sich Juan Carlos, der schon seit Jahren an Krücken läuft, in seinem Luxusdomizil die Zeit mit Rehabilitation vertreibt. Auch von Heimweh des kränkelnden Ex-Monarchen ist die Rede. Und dass er Weihnachten gerne zu Hause feiern würde.
Doch möglicherweise ist Ihre Hoheit im Wüstenparadies Abu Dhabi gar nicht so einsam. Königshausexpertin Pilar Eyre geht davon aus, dass sich Juan Carlos nicht alleine in Abu Dhabi aufhält, sondern von einer „treuen Freundin“ begleitet wird. Klar scheint, dass es sich dabei nicht um Corinna zu Sayn-Wittgenstein, die berühmteste „amiga“ des Schürzenjägers Juan Carlos, handelt.
Denn nachdem die Nachricht von Juan Carlos‘ Abtauchen publik wurde, ging die 56-jährige Sayn-Wittgenstein mit brisanten Interviews an die Öffentlichkeit. Darin plauderte sie nicht nur über ihre fünfjährige Liebesbeziehung zu Juan Carlos, sondern auch über mutmaßliche unlautere Machenschaften ihres Verflossenen.
Gravierende Vorwürfe
In Spanien laufen mittlerweile drei Ermittlungsverfahren gegen den Mann, der von 1975-2014 königliches Staatsoberhaupt war. Dabei geht es um geheime Auslandskonten in Finanzoasen, in denen Millionen zweifelhafter Herkunft lagern. Dies nährt den Verdacht der Korruption, Geldwäsche und des Steuerbetrugs. Auch andere Mitglieder der Royals sollen von den Schwarzgeldern profitiert haben.
Eine formelle Anklage gibt es noch nicht. Spaniens Justiz lässt sich Zeit. Das Leben des Ex-Monarchen galt bisher als Tabu. Was vermutlich dazu beitrug, dass mehrere Vaterschaftsklagen und schon jahrelang kursierende Hinweise auf illegale Aktivitäten in den Schubladen verstaubten.
Juan Carlos‘ Anwälte tun derweil alles, damit dies auch so bleibt. „El País“ berichtet, dass sie derzeit mit dem Fiskus und der Staatsanwaltschaft über eine hohe Steuernachzahlung verhandeln. Offenbar in der Hoffnung, ihren Mandanten so vor der Anklagebank zu bewahren.
Eine Einstellung der Ermittlungen könnte eine Tür für die Rückkehr des Altkönigs öffnen. „Er hat Angst, in der Ferne zu sterben“, heißt es aus seiner Umgebung. Doch hinsichtlich einer Heimkehr hat auch Felipe VI. ein Wörtchen mitzureden. Denn sein Vater ist zur Belastung für die Monarchie geworden.
"Mein Gott, was für Fragen!"
Umfragen zufolge können sich heute immer mehr Spanier vorstellen, in einer Republik mit einem gewählten Staatspräsidenten zu leben. Vor diesem Hintergrund hält sich bei vielen Menschen die Traurigkeit über Juan Carlos‘ Abwesenheit in Grenzen.
Letzteres scheint sogar für die 82-jährige Altkönigin Sofía zu gelten, die schon seit vielen Jahren von Juan Carlos getrennt lebt. Sie weint ihm offenbar keine Träne nach. Als sie jüngst gefragt wurde, ob sie Kontakt zu dem Geflüchteten habe, antwortete Sofía gutgelaunt: „Mein Gott, was für Fragen!“ Von Sehnsucht keine Spur.
unserem Korrespondenten Ralph Schulze aus Madrid