Kurz vor dem Start der Beratungen über das umstrittene Binnenmarktgesetz im britischen Unterhaus hat die Regierung in London am Montag ein Einlenken im Streit um den Gesetzentwurf angedeutet. Mehrere Klauseln darin hatten zu großer Empörung in Brüssel geführt, weil dadurch Teile des im vergangenen Herbst vereinbarten EU-Austrittsabkommens im Hinblick auf die schwierige Nordirland-Frage ausgehebelt werden könnten.

Bei den womöglich entscheidenden Post-Brexit-Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien zeichnet sich vorerst dennoch kein Durchbruch ab. Die Gespräche am Sonntag in Brüssel hätten noch kein Ergebnis gebracht, sagten Diplomaten beider Seiten am Montag den Medien. Weitere Verhandlungsrunden sind angesetzt. Am Montagabend sollen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premierminister Boris Johnson den Stand der Gespräche bewerten.

Ein EU-Diplomat sagte, der Ball liege nun im Feld Großbritanniens. Johnson ist einem Bericht der Zeitung "The Sun" zufolge bereit, den Stecker zu ziehen, sollte die EU nicht noch auf britische Forderungen eingehen. Der EU-Diplomat ergänzte, es sei bisher nicht gelungen, bei den drei Hauptstreitpunkten Brücken zu bauen - bei den künftigen Fischereirechten, Garantien für einen fairen Wettbewerb und einem Streitschlichtungsmechanismus im Falle von Verstößen gegen das geplante Abkommen. "Der Ausgang ist weiter offen, es kann in beide Richtungen gehen." Das Spiel sei jetzt in der finalen Phase. "Die Zeit läuft schnell ab."

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premierminister Boris Johnson wollen am Montag um 17.00 Uhr MEZ den Stand der Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt erörtern. Dies teilte von der Leyens Sprecher Eric Mamer auf Twitter mit.

Differenzen

Von der Leyen und Johnson hatten bei einem ersten Telefonat am Samstag tiefe Differenzen festgestellt, aber eine Fortsetzung der Verhandlungen verabredet. Diese brachten allerdings aus Sicht der EU bis Montag früh keine entscheidenden Fortschritte.

Sollte es in den nächsten Tagen nicht doch noch eine Einigung über die künftigen Beziehungen zueinander samt Freihandelsabkommen geben, droht Anfang 2021 ein harter Bruch mit größeren Verwerfungen für die Wirtschaft.

Weitere Post-Brexit-Gespräche im nächsten Jahr schließt die britische Regierung einstweilen aus. Ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson sagte am Montag in London: "Wir sind bereit, so lange zu verhandeln, wie die Zeit reicht, wenn wir denken, ein Abkommen ist noch möglich." Mit Blick auf eine Verlängerung der derzeit stockenden Gespräche über ein Handelsabkommen mit der EU ins nächste Jahr hinein betonte er aber: "Ich kann das ausschließen."

Diplomaten zufolge hat EU-Chefunterhändler Michel Barnier die 27 Mitgliedstaaten Montag früh darüber unterrichtet, dass es noch keine Einigung gebe. Er habe sich mit Blick auf die Chancen eher pessimistisch geäußert. Barnier habe aber weitere Gespräche mit dem britischen Chefunterhändler David Frost angekündigt.

Am 31. Dezember endet die Übergangsfrist, in der Großbritannien nach dem offiziellen Brexit noch EU-Regeln anwenden muss. Danach droht Chaos, sollte es keine Einigung in letzter Minute geben. Experten rechnen dann mit höheren Zöllen auf viele Produkte sowie langen Wartezeiten an der Grenze. "Auf jeden Fall hat Genauigkeit Vorfahrt gegenüber dem Zeitplan", so ein EU-Diplomat. In der Vergangenheit waren Fristen immer wieder nach hinten geschoben worden. Johnson hat aber eine Verlängerung der Übergangszeit mehrfach ausgeschlossen.

Die Investmentbank JP Morgan taxiert das Risiko für einen harten Brexit ohne Handelspakt mittlerweile auf rund 33 Prozent, nachdem es zuletzt nur 20 Prozent waren. Das Pfund fiel zu Wochenbeginn zum Dollar um ein Prozent auf den niedrigsten Stand seit zweieinhalb Wochen.

Am Montag wird sich das britische Parlament erneut mit dem umstrittenen Binnenmarktgesetz beschäftigen. Der Entwurf dafür hat die EU in Aufruhr versetzt, weil dadurch potenziell Teile des Brexit-Vertrags untergraben werden. Für Johnson dient es als Sicherheitsnetz, falls die Verhandlungen mit der EU keine abschließende Regelung zum Warenhandel bringen.

Das Gesetz würde London die Möglichkeit geben, die im Brexit-Vertrag festgeschriebene Regelung auszuhebeln, nach der in der britischen Provinz Nordirland auch künftig EU-Zollregeln gelten sollen. Die Europäische Union hat mit juristischen Schritten gedroht. Auch in Johnsons eigener Konservativer Partei ist der Vorstoß umstritten.