Die Veröffentlichung seiner Memoiren hat der ehemalige US-Präsident Barack Obama in die Zeit nach der Wahl gelegt. Was ihn genau dazu bewegt hat, lässt er offen. Sicher aber ist, dass er damit seinem Nachfolger einen Teil der Aufmerksamkeit nimmt, wenn er öffentlich mit allen Mitteln um seinen Verbleib im Amt kämpft. Donald Trump, der die Wahl gegen Obamas Vize Joe Biden verloren hat, will den Sieg des Demokraten nicht anerkennen, spricht von Wahlbetrug und bemüht alle rechtlichen Mittel. Das hat den deutschen Moderator Markus Lanz dann auch bewegt, genau dazu einige Fragen zu stellen, obwohl eigentlich Obamas Buch im Mittelpunkt des bislang einzigen Interviews mit einem deutschsprachigen Medium stehen sollte. Lanz hatte das Gespräch in einer Suite des Washingtoner Hotels "the Atlantic" vor wenigen Tagen für seine Talkshow am Donnerstagabend aufgezeichnet.
So wurde es auch eher eine entspannte Plauderei als ein hartes und kritisches Interview. Uninteressant war es dennoch nicht. So sprach er offen über die Spaltung seines Landes, die sich durch seine Amtszeit nicht habe überwinden lassen. Es sei das Erbe eines langen historischen Streits. Seit jeher konkurrierten in Amerika zwei auseinanderfallende Ideen, sagte Obama. Auf der einen Seite stünde der Grundgedanke dieser Nation mit der Gleichheit aller Bürger und auf der anderen Seite eben die Privilegien einer Gruppe, die eine Gleichbehandlung von Frauen, Indigenen und Schwarzen verhinderten - auch Sklaverei sei eben ein Teil der Historie. „In meiner Präsidentschaft wollten wir die Demokratie ausdehnen“, sagte Obama, das habe - bei allem Erfolg seiner Regierung, auch zu Reibungsflächen geführt. Und diese habe Donald Trump in seinem Wahlkampf zu seinen Gunsten ausgenutzt. Dennoch sei er zuversichtlich, wenn er sich das Verhalten junger Amerikaner anschaue, egal ob schwarz oder weiß. Sie würden entsprechend wählen und hätte sich nach dem Mord von George Floyd gemeinsam protestiert. „Aber die Rückwärtsgewandten haben eine laute Stimme“, betonte Obama.
Trump und seine andere Wahrheit
Zwischendurch spielte das ZDF immer wieder Ausschnitte aus der berühmten Tischrede ein, bei der Obama Trump - noch vor dessen Kandidatur - mit beißendem Spott bedachte. Damals habe er ihn unterschätzt. Er habe aber erkannt, dass Trump eine überzeugende Story für seine Wähler parat hatte. „Auch ich wurde gewählt, weil ich eine gute Story hatte, wie Amerika sein sollte“, sagte Obama. „Leute wählen nicht wegen Programmen, sondern wegen eines Narrativs, das zu ihnen passen muss.“ Dies sei eine Antwort darauf, warum noch immer 70 Millionen Amerikaner sich für Trump entschieden hätten. Dies sei jetzt die größte Herausforderung für die Demokratie. Man könne sich streiten über die Lösung eines Problems, wenn man gemeinsam die Fakten anerkenne. Etwa beim Klimawandel, wenn man grundsätzlich einig ist, dass die Erde sich erwärme. "Aber wenn jemand sagt, die Temperaturen steigen nicht, kann man nicht diskutieren“, sagte er.
Das Verhalten Trumps sei ihm unverständlich. Es sei schließlich gute Tradition in den USA, als Präsident eine gute Übergabe zu gewährleisten. Er selbst habe damals Donald Trump um 2.30 Uhr angerufen, um ihm zum Wahlsieg gegen Hillary Clinton zu gratulieren. „Leider hat sich Trump anders entschieden“, sagte Obama. Allerdings wisse er auch, wie schwer der Auszug aus dem Weißen Haus sei, viel schwerer jedenfalls als der Einzug. „Der Auszug aus dem Weißen Haus war bitter-süß.“ Denn er habe ein fantastisches Team mit einer starken Verbundenheit gehabt, auf das er ab diesem Zeitpunkt verzichten musste.
Ingo Hasewend