Um 0.30 Uhr unserer Zeit trat der amtierende Präsident der USA, Donald Trump, vor die Presse, um die Wahl in weiten Teilen für illegal zu erklären, sich selbst zum wahren Sieger des Wahlabends auszurufen. Fassungsloses Entsetzen bei den Beobachtern beispielsweise im Kreis der Beobachter auf CNN.
Der republikanische Amtsinhaber Donald Trump sieht sich weiterhin als Sieger der Präsidentenwahl. "Wenn man die legalen Stimmen zählt, würde ich locker gewinnen", sagte Trump in Anspielung auf die sich verdüsternden Aussichten auf seine Wiederwahl. Er bekräftigte den Vorwurf, dass "illegale Stimmen" ausgezählt werden und die Demokraten "die Wahl stehlen wollen".
Mehrere US-Fernsehsender sollen die Übertragung des Trump-Auftritts mittendrin abgebrochen haben. Vermutlich wollten sie die unbelegten Betrugsvorwürfe dort nicht weiter ohne Einordnung senden.
"Auf dem Weg zum Sieg"
In einem erratischen Vortrag zählte Trump seine Erfolge bei der Präsidentenwahl auf und verwies auf sein Abschneiden in Florida und Ohio. Er beklagte, dass seine ursprüngliche Führung in mehreren Staaten "heruntergedrückt" worden sei und äußerte die Befürchtung, dass er auch im umkämpften Staat Georgia letztlich "ein bisschen zurückliegen" könnte. Dagegen sei er in Arizona - wo er offenbar nichts an der Fortsetzung der Auszählung auszusetzen hat - "auf dem Weg zum Sieg".
Trump betonte, dass er "die Integrität dieser Wahl schützen" wolle. Ohne jeglichen Beweis bekräftigte der Amtsinhaber, dass die Wahl manipuliert und gestohlen worden sei. Er erhob lediglich pauschale Vorwürfe, wonach massiv auf Briefwahl gesetzt worden sei und dann auch Stimmen "ohne Stempel und Unterschrift" akzeptiert worden seien. Er wolle eine "ehrliche Auszählung", so Trump, der neuerlich eine Entscheidung "vor dem höchsten Gericht des Landes" in Aussicht stellte. Er schlug verbal wild um sich und behauptete, die Wahlbeobachter seien bewusst in weiter Ferne gehalten und daran gehindert worden, die Auszählung der Stimmen zu überwachen.
Aufruf zum "totalen Krieg"
Kurz davor hatte Trumps Sohn Donald Trump Jr. den Vater über Twitter dazu ermuntert, "den totalen Krieg" auszurufen gegen all die, die dem Vater den vermeintlichen Wahlsieg streitig machen wollten.
"Eine traurige Nacht", so die unmittelbare Reaktion der Journalisten auf CNN. Dass es der US-Präsident persönlich sei, der das Vertrauen in die Demokratie untergrabe, der alles in Frage stelle, was das politische System ausmache, mache sprachlos. "Wir haben so etwas noch nie erlebt", so die Bilanz über den Beweis dafür, dass der Präsident seine bevorstehende Niederlage nicht akzeptieren könne.
Der Auftritt wirkte nicht nur auf Beobachter außerhalb der USA gespenstisch. Die Journalisten bei CNN etwa reagierten schockiert: Der Präsident habe sein Vorgehen angekündigt, man habe es erwartet, und man sei dennoch fassungslos darüber, dass ein amtierender Präsident auf diese Weise das System unterminiere. Weitere gewalttätige Ausschreitungen während der Nacht wurden nicht ausgeschlossen.
Dass Trump seine eigenen Mitstreiter in den Bundesstaaten damit diskreditiere, jene, die die Wahl abwickelten und die Stimmen zählten, dass er schamlos lüge, um seine Anhänger, die ihm bedingungslos folgten, damit aufzuhetzen, sei einzigartig. Er habe es angekündigt, man habe es erwartet, und man sei dennoch schockiert darüber, dass er seine Ankündigungen wahrmache. Die Sorge, dass es noch während der bevorstehenden Nacht zu Gewalt und Aufruhr kommen könnte, wuchs.
Während der demokratische Kandidaten Joe Biden zur Briefwahl ermuntert habe, damit die Wähler sich keinem Risiko einer Covid-19-Infektion aussetzten, habe Trump seine Anhänger seit Wochen dazu aufgerufen, nicht die Briefwahl in Anspruch zu nehmen. Dies sei strategisch bereits auf den Moment ausgerichtet gewesen, die Rechtmäßigkeit der Wahl in Zweifel zu ziehen.
"Stimmen gekauft, Medien korrupt"
Die Stimmen für die Demokraten seien gekauft, die Medien seien korrupt und die Wahl über weite Strecken illegal, so Trump. Trump verzerrt bewusst die Vorgänge und spricht davon, dass im Nachhinein Stimmen auftauchten, die seinen Vorsprung zunichte machen. Es sind die Briefwahlstimmen, die aber nicht im Nachhinein auftauchen sondern einfach erst nach Wahlschluss gezählt werden, wie in Österreich auch.
Vor seinem gespenstischen Auftritt hatten Trump und sein Team bereits die Botschaft lanciert, Trump werde im Falle einer Wahlniederlage jedenfalls in vier Jahren wieder antreten. Beobachter hatten dies als Zeichen dafür interpretiert, dass das Team selbst nicht mehr mit einem Wahlsieg rechnet. Die Auszählung der Briefwahlstimmen hatte den Abstand in Georgia und anderen Bundesstaaten auf ein Minimum schrumpfen lassen, es wird gerechnet, dass nicht nur Arizona und Nevada sondern auch Georgia an Joe Biden gehen könnten.
Claudia Gigler