In mehreren polnischen Städten sind am Mittwochabend erneut Tausende Menschen gegen eine Verschärfung des Abtreibungsverbots auf die Straße gegangen. Es war der siebente Protesttag in Folge seit der umstrittenen Entscheidung des Verfassungsgerichts, wonach Frauen auch dann nicht abtreiben dürfen, wenn ihr Kind schwere Fehlbildungen hat. Die Tochter und Beraterin von Präsident Andrzej Duda forderte unterdessen, Frauen weiterhin einen Schwangerschaftsabbruch zu ermöglichen.
In Polens drittgrößter Stadt Lodz zogen nach Angaben des Senders TVN24 etwa 20.000 überwiegend junge Menschen durch die Innenstadt. Auch im Zentrum der Hauptstadt Warschau versammelten sich am Abend viele Menschen. Die Demonstranten trugen Plakate mit der Aufschrift "Kämpft mit dem Virus, nicht mit den Frauen" und "Kümmert euch um den Leib Christi". Auf anderen Plakaten wurde die nationalkonservative Regierungspartei PiS mit derben Schimpfwörtern attackiert.
Die Organisation Allpolnischer Frauenstreik, die bei den Protesten federführend ist, hatte für Mittwoch zu einem Streik aufgerufen. In vielen Städten blieben in den Stadtverwaltungen, Universitäten und manchen privaten Firmen die Beschäftigten der Arbeit fern - oft mit Billigung ihrer Vorgesetzten. Für den Abend forderte die Organisation die Protestierenden in Warschau auf, vor das Gebäude des Parlaments (Sejm) zu ziehen, wo die Abgeordneten tagten. "Alle vor den Sejm, wir organisieren ihnen den Lockdown", schrieben die Aktivistinnen auf Facebook.
Duda-Tochter Kinga stellte sich hinter die Demonstrationen. Sie selbst würde sich zwar aufgrund ihrer Überzeugungen nie zu einem Abbruch entscheiden, schrieb die 24-jährige Kinga Duda am Mittwoch auf Twitter. "Aber in einer Sache, die so unglaublich schwer ist, wie die Vorstellung von der Geburt eines Kindes, das Minuten oder Stunden nach der Geburt sterben kann, sollte die Entscheidung über Fortführung oder Abbbruch der Schwangerschaft bei der Frau liegen". Sie sei deshalb nicht einverstanden mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts, schrieb Kinga Duda weiter. Die Juristin ist als ehrenamtliche Beraterin ihres Vaters tätig.
Angesichts der zunehmend aufgeheizten Stimmung mahnte der Ständige Rat der polnischen Bischofskonferenz zur Mäßigung. "Wir rufen alle auf, einen sachlichen gesellschaftlichen Dialogs aufzunehmen, Ansichten ohne Gewaltanwendung zu äußern und die Würde jedes Menschen zu achten", hieß es in einer Erklärung. In den vergangenen Tagen waren bei Protesten immer wieder Kirchen beschmiert und Geistliche attackiert worden.