Die Spitzen von Armin Laschet gegen seinen Widersacher Friedrich Merz kamen indirekt und doch unverhohlen. Als Anne Will in ihrer ARD-Talkshow den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen auf eine kurz zuvor beendete fünfstündige Debatte der CDU-Spitze fragte, ob der Parteitag am 4. Dezember in Stuttgart nun abgesagt sei, antwortet er: Das müsse Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer schon selbst entscheiden.
Fast listig fügte der Rheinländer aber an: „Ich glaube, dass wir nicht in einer solchen Zeit, wo man den Menschen zumutet, das Haus nicht mehr zu verlassen, mit 1000 Menschen einen Parteitag machen können.“ Wenn, so Laschet, zu einer Beerdigung nur zehn Leute dürften, sich die CDU aber mit tausend treffen würde, verstünde das niemand und man sei kein gutes Vorbild. Es gäbe dazu auch eine andere Meinung, betonte Laschet, die respektiere er. Nur: Sie sei unvernünftig.
Klare Kante
Das war eine klare Kante gegen Merz, der ohne Unterlass und mit gutem Grund auf die Durchführung pochte. Die anstehende Abstimmung über den Parteivorsitzenden dürfte nach jüngsten Umfragen für den Ex-Fraktionschef der Union ausgehen. Laschet und auch Außenpolitiker Norbert Röttgen liegen erheblich zurück.
Umso erboster reagiert Merz am Montag auf die Verschiebung mitten in das Bundestagswahljahr 2021 durch die Noch-Parteichefin AKK. „Es läuft seit Sonntag der letzte Teil der Aktion Merz verhindern“, twittert er und sagt der „Welt“: „Es gibt einen gewaltigen Druck, und große Teile der Parteiführung entziehen sich dem leider nicht.“ Um danach seinen Kontrahenten zu attackieren: „Ich habe ganz klare, eindeutige Hinweise darauf, dass Armin Laschet die Devise ausgegeben hat: Er brauche mehr Zeit, um seine Performance zu verbessern.“ Merz vermutet noch weitere Drahtzieher im Hintergrund: „Es ist doch kein Zufall, dass immer wieder Gerüchte über einen neuen, vierten Kandidaten gestreut werden.“
Absage notwendig
Laschet wiederum begrüßt die Absage: Die CDU werde so ihrer „gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht“. Der Fokus liege nun wieder auf der dramatischen Lage. „Diese Woche wird richtungsweisend im Kampf gegen die Corona-Pandemie.“ Laschet unterstreicht damit die dringlichen Worte der Kanzlerin. Ex-CDU-Chefin Angela Merkel hatte zuvor formuliert: „Das Gebot der Stunde heißt für uns alle: Kontakte reduzieren. Viel weniger Menschen treffen.“
Der dritte Kandidat Norbert Röttgen stellte sich mit seinem Urteil irgendwo zwischen Merz und Laschet. Er bedauere die Absage, begrüßt die Entscheidung aber dennoch, da sie im Grunde richtig sei. Röttgen wurde in den Vorwochen häufiger vorgehalten, er stehe mit seiner Position für einen nicht klar erkennbaren Kurs.
Auch die K-Frage ist offen
Damit dürfte sich auch die Kanzlerkandidatur bis ins neue Jahr hineinziehen. Generalsekretär Paul Ziemiak betont, die K-Frage sei jedenfalls „nichts, was als Erstes ansteht“. Die CDU wolle sich nun zunächst auf die Landtagswahlen im Frühjahr konzentrieren. Auch werde die Spitzenkandidatur im Zusammenspiel mit der Schwesterpartei CSU getroffen, sagt Ziemiak. Markus Söder dürfte das zupasskommen. Angesichts eklatanter Neuinfektionszahlen schwindet gerade seine Zustimmung im Rest der Republik.
Merz aber glaubt weiterhin, dass eine Abstimmung möglich ist. Notfalls müsse man die Satzung ändern und alles digital durchführen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir einen Parteitag machen können“, sagte Merz am Dienstag. Auch der Berliner Fußballverein Hertha BSC habe bei einer Mitgliederversammlung am Sonntag mit 1000 Leuten im Olympiastadion unter freiem Himmel den Vorsitzenden gewählt. „Es geht.“ Und Hertha – auch wenn Merz das nicht betont – ist größeren Kummer gewohnt als die CDU.
Ingo Hasewend aus Berlin