Am späteren Abend gleicht Laibach wegen der Ausgangssperre einer Geisterstadt. Das Nachtleben ist völlig zum Erliegen gekommen. Doch auch am Tag sind die Spuren der Corona-Krise deutlich sichtbar: „Wir informieren unsere geehrten Kunden, dass dieses Kaffee wegen der derzeitigen epidemiologischen Situation geschlossen ist.“ Derartige Hinweise sind im Zentrum keine Seltenheit. Die Masse der Kaffees und Restaurants ist geschlossen, die wenigen die offen haben, bieten Getränke und Speisen nur zum Mitnehmen an: „Burger und Kaffee für zu Hause“, steht auf einem der Schilder. Masken tragen viele Laibacher auch im Freien. Man hat den Eindruck, dass weniger Bürger die Innenstadt bevölkern. Einen Grund für den starken Anstieg der Infektionen sehen Experten in Touristen, die ihren Urlaub in Kroatien verbracht haben. Dadurch seien viele Fälle importiert worden.
Einen weiteren Grund sehen Epidemiologen und Ärzte darin, dass Slowenien die erste Welle sehr gut gemeistert habe. Diese Tatsache, und das Bestreben, die Wirtschaft nicht abzuwürgen, habe dazu geführt, dass viele Bürger die Empfehlungen für präventive Maßnahmen nicht ernst genommen hätten. Daher habe sich das Virus derart stark ausbreiten können. Sogar mehr als 1000 Neuinfizierungen registrierte das zwei Millionen Einwohner zählenden Land vor wenigen Tagen.
Gesundheitssystem in Bedrängnis
Es gibt 10.136 aktive Fälle, mehr als 350 Patienten sind im Krankenhaus, mehr als 60 auf Intensivstationen. Am oder mit dem Virus verstorben sind seit Beginn der Pandemie 211 Personen. Aus anderen Gründen starben in Slowenien in den ersten acht Monaten aber fast 14.000 Personen. Die Gefährlichkeit des Virus sehen Experten vor allem im enormen Potenzial seiner Ausbreitung, das auch das slowenische Gesundheitswesen vor große Herausforderungen stellt.
Dazu sagt der Leiter der Universitätsklinik in Laibach, Janez Poklukar: "In den vergangenen sechs Wochen haben wir wegen Covid-19 so viele Patienten hospitalisiert, wie wir im ersten Halbjahr insgesamt gehabt haben. Die Zahlen steigen steil an. Für die kommenden zwei bis vier Wochen rechnen wir mit einer Verdoppelung der Zahl. Die größte Herausforderung für die Universitätsklinik besteht im Personalmangel. Wir behelfen uns damit, dass wir ausländisches Personal anstellen, pensionierte Krankenschwestern reaktivieren sowie Studenten und Freiwillige mobilisieren."
Drastische Maßnahmen
Die Regierung reagierte mit drastischen Maßnahmen; in 11 von 12 Regionen dürfen die Bewohner ihre Region nur bei triftigen Gründen verlassen, Kinos und Theater sind geschlossen, und in der Nacht gilt ab 21 Uhr eine Ausgangssperre. Die Epidemiologin Bojana Beovic erwartet, dass die Maßnahmen Ende Oktober, Anfang November Wirkung zeigen werden: "Dann sollten sich die Kurven langsam drehen. Mit den Maßnahmen wollen wir die Zahl der Neuinfizierten und den Zustrom in die Krankenhäuser verringern und eine hochwertige Behandlung nicht nur der COVID-Patienten, sondern auch aller anderen ermöglichen, die dringend Hilfe benötigen. Wenn die Maßnahmen greifen, werden wir sie danach wieder lockern; sollte es die Lage erfordern, werden wir sie natürlich wieder verschärfen. Das ist eine Art on-off-Lage, die wir haben werden; doch es gibt Gründe anzunehmen, dass sich die Lage im Winter wegen der besseren Übertragbarkeit des Virus noch verschlechtert."
Gut gehalten haben sich bisher die Schulen in der Corona-Krise, denn es gab nur wenige Fälle, doch ihr Anstieg war spürbar; daher gelten einschneidende Maßnahmen. Beim Betreten und Verlassen des Schulgebäudes sowie am Gang gilt Maskenpflicht, nicht aber in den Klassen selbst. Etwa 80.000 Volksschüler werden derzeit im Fernunterricht zu Hause durch den Einsatz von Online-Plattformen sowie Computern mit Kameras unterrichtet, das sind etwa 40 Prozent aller slowenischen Volksschüler.
Tourismus stark betroffen
Das Modell erläutert die slowenische Unterrichtsministerin, Simona Kustec-Lipicer, so: "In dieser Woche wenden wir eine Kombination von zwei Modellen an; somit gehen in den Grundschulen die Kinder von der ersten bis zur fünften Klasse in die Schule, während die Kinder von der sechsten bis zur neunten Klasse Fernunterricht von zu Haus aus haben. In den Mittelschulen haben alle Kinder Fernunterricht. Kommende Woche gibt es Herbstferien. Ab erstem November werden wir dann auf der Basis der epidemiologischen Lage entscheiden, wie es weitergeht."
Wie es mit dem Corona-Virus weitergeht, ist nicht nur für Slowenien eine Schlüsselfrage. Sie betrifft nicht nur Schulen und Krankenhäuser, sondern auch die gesamte Wirtschaft und etwa den Fremdenverkehr im Winter. Die Erwartungen der Epidemiologin Bojana Beovic klingen jedenfalls nicht gerade optimistisch. Eine tatsächliche Entspannung erwarten sie erst im Mai, weil im Frühling die Ausbreitungsgefahr geringer sein sollte; dann werde es hoffentlich auch einen Impfstoff geben, der wirklich sicher und allen zugänglich sei, sagt Beovic.
Christian Wehrschütz aus Laibach