Fünf Meter hoch, 27 Kilometer lang, 63 Millionen Euro teuer: Griechenland wappnet sich am Grenzfluss Evros gegen befürchtete neue Migrantenströme aus der Türkei. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis inspizierte die Bauarbeiten am Wochenende. Die neuen Sicherungsanlagen sollen im April 2021 fertiggestellt sein. Die neuen Grenzzäune seien „das Mindeste, was wir tun können, damit die Bürger in dieser Region sich sicher fühlen“, sagte Mitsotakis am Samstag bei seinem Besuch in der Ortschaft Feres. Dort haben die Bauarbeiten an einem neun Kilometer langen Teilstück des Zauns begonnen.
Die griechische Landgrenze zur Türkei ist 206 Kilometer lang. Sie folgt größtenteils, aber nicht durchgehend, dem Lauf des Flusses Evros (türkisch: Meric). Vor allem bei Niedrigwasser im Sommer versuchen immer wieder Schleuser, Migranten in Kähnen und Schlauchbooten über den Fluss nach Griechenland zu bringen. Der Evros war im Frühjahr Schauplatz einer wochenlangen Kraftprobe: Ende Februar erklärte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan die Grenze zu Griechenland für geöffnet. In Bussen wurden zehntausende Migranten zum Grenzübergang Pazarkule und Kastanies gebracht, um die Grenze zu belagern. Erdogan droht damit, „Millionen“ Migranten nach Europa zu schicken. Damit wollte er finanzielle Zugeständnisse der EU erreichen. Aber der Plan scheiterte. Ende März ließen die türkischen Behörden die Belagerer in Bussen wieder in Landesinnere bringen.
Der neue Zaun wird an drei bisher weniger gesicherten Abschnitten errichtet, wo die Grenze über Land verläuft. Die Sperranlagen bestehen aus massiven, senkrecht im Boden verankerten, fünf Meter hohen Stahlelementen. Ein bereits 2012 gebauter elf Kilometer langer Metallzaun am Evros soll verstärkt und von 3,50 auf 4,30 Meter erhöht werden. Außerdem werden acht neue Wachtürme erreichtet. Premierminister Mitsotakis will überdies die Grenzpolizei am Evros mit 400 zusätzlichen Beamten verstärken.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Spannungen mit der Türkei im östlichen Mittelmeer fürchtet man in Athen jetzt, dass Erdogan erneut am Evros Druck machen könnte. Anzeichen dafür gibt es bereits: In griechischen Polizeikreisen heißt es, man beobachte, dass Migranten wieder in größerer Zahl mit Bussen zur Grenze gebracht werden, wo sie dann in Schlauchboote steigen. Die türkischen Grenzsoldaten ließen die Schleuser gewähren, heißt es in griechischen Polizeikreisen.
In der Ägäis eskaliert der Streit
Auch in der Ägäis eskaliert der Streit, nachdem die Türkei jetzt ihr Zuständigkeitsgebiet für Such- und Rettungsaktionen einseitig ausweitete. Damit beansprucht die Türkei die Zuständigkeit für die Seenotrettung vor griechischen Inseln wie Mykonos, Paros oder Santorin. Das griechische Außenministerium sprach von einer „willkürlichen und illegalen Forderung“, mit der die Türkei Konfusion erzeuge und Menschenleben in Gefahr bringe.
Wie die Landgrenze am Evros, will Griechenland jetzt auch die Seegrenze zur Türkei in der Ägäis besser sichern. Dazu plant die griechische Küstenwache den Aufbau eines neuen Beobachtungssystems. Es soll vor allem dazu dienen, die irreguläre Migration von der türkischen Küste zu den griechischen Inseln zu unterbinden. Das System besteht aus 35 stationären Radarstationen mit Reichweiten von sechs bis 48 Seemeilen (elf bis 89 Kilometer). 27 dieser Stationen sollen auf Inseln der östlichen Ägäis gebaut werden, die restlichen auf Kreta, auf Euböa und im ionischen Meer. 26 der Radarstationen werden außerdem mit Wärmebildkameras ausgerüstet. Sie haben eine Reichweite von bis zu 13 Kilometern. Die Kosten für den Aufbau des Systems, der 2022 beginnen soll, werden 62 Millionen Euro veranschlagt. Griechenland prüft auch den Einsatz von unbemannten Fluggeräten, um seine Seegrenze in der Ägäis zu überwachen. Erste Tests mit einer Drohne aus israelischer Produktion seien gut verlaufen, heißt es in Kreisen der Küstenwache.
Gerd Höhler aus Athen