Die Europäische Union will die von Großbritannien gesetzte Frist für eine Einigung auf einen Handelspakt ignorieren und intensiv weiter verhandeln. Dies geht aus einem Entwurf des Abschlussdokuments zum EU-Gipfel hervor. Der britische Premierminister Boris Johnson hatte mit dem Rückzug vom Verhandlungstisch gedroht, falls bis 15. Oktober kein Kompromiss mit der EU gefunden ist.
Dabei geht es um einen Vertrag, der die wirtschaftlichen Beziehungen nach der Brexit-Übergangsphase ab 2021 regeln und so Zölle und Handelshemmnisse vermeiden soll. Von einer Übereinkunft ist man jedoch weit entfernt. Der Europäische Rat "nimmt mit Sorge zur Kenntnis, dass Fortschritte bei den für die Union wichtigsten Fragen unzureichend sind", heißt es im Entwurf der Gipfelerklärung für Donnerstag. Die EU-Staaten wollten weiter eine Einigung. EU-Unterhändler Michel Barnier sei gebeten, "die Verhandlungen zu intensivieren, um sicherzustellen, dass eine Vereinbarung ab 1. Jänner 2021 angewendet werden kann".
"Wir hätten lieber ein Abkommen, aber nicht um jeden Preis", sagte EU-Industriekommissar Thierry Breton am Mittwoch dem Radiosender BFM. "Und wenn es keinen Deal geben sollte, sind wir bereit."
"Wir sind an einem kritischen Punkt", sagte ein EU-Vertreter am Mittwoch. Brüssel erwarte von London Zusicherungen bei drei wichtigen Punkten: gleichen Wettbewerbsbedingungen im Gegenzug für britischen Zugang zum EU-Binnenmarkt, Fischerei und Instrumente zur Schlichtung im Fall von Verstößen gegen das Abkommen. "Wir sehen keine Bewegung auf der anderen Seite des Kanals", sagte der EU-Beamte.
Barnier hatte stets erklärt, ein Abkommen müsse bis Ende Oktober stehen, damit noch genügend Zeit zur Ratifizierung bleibe. Diese Frist wird im Entwurf der Gipfelerklärung jedoch nicht genannt.
"Ob und wann eine Einigung möglich ist, hängt zu allererst vom britischen Premierminister Johnson ab", sagte SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder. "Ein Brexit ohne Deal wäre eine Katastrophe im EU-Krisenherbst. Ein No-Deal-Brexit schadet beiden Seiten, aber insbesondere den britischen Beschäftigten und der aufgrund der Coronakrise ohnehin schwachen Wirtschaft."