Die erst am Wochenende vereinbarte Waffenruhe in Berg-Karabach ist schon wieder Geschichte.

Seit 100 Jahren bildet Berg-Karabach einen Konfliktherd zwischen Armenien und Aserbaidschan. 1920 wurde die mehrheitlich von christlichen Armeniern besiedelte Region zu einem autonomen Gebiet innerhalb der von muslimischen Aseris dominierten Aserbaidschanischen Sowjetrepublik.

1991 erklärten Armenien und Aserbaidschan ihre Unabhängigkeit. Kurz darauf machte sich auch Bergkarabach selbstständig. 1992 kam es zum offenen Krieg zwischen armenischen und aserbaidschanischen Freischärlern, in den 1993 die armenische Armee eingriff. Nach 40.000 Toten und einer Million Vertriebenen wurde 1994 ein Waffenstillstand vereinbart, der - wenn auch mehr schlecht als recht - bis jetzt gehalten hat. Doch jetzt ist der Konflikt wieder voll ausgebrochen.

Die Feuerpause, die die Außenminister Armeniens und Aserbaidschans Samstagnacht unter der Vermittlung von Russlands Außenminister Sergei Lawrow in Moskau nach einem Verhandlungsmarathon vereinbart hatten,  ist überholt.

Gandscha
Gandscha © AFP

Die Aserbaidschaner meldeten am Wochenende heftigen armenischen Raketenbeschuss auf die Stadt Gandscha mit Todesopfern, die Armenier aserbaidschanisches Feuer auf die Karabacher Hauptstadt Stepanakert.

Stepanakert nach dem Beschuss
Stepanakert nach dem Beschuss © AFP

Die New York Times entdeckte türkische F-16-Kampfjets auf aserbaidschanischen Flugplätzen. Russland erklärte, dass die Türkei Hunderte syrische Kämpfer nach Bergkarabach geschickt hätte.

Unterdessen werfen einander Armenien und Aserbaidschan den Bruch der Waffenruhe vor. Das armenische Verteidigungsministerium in Eriwan beschuldigte Aserbaidschan, eine Siedlung in Armenien beschossen zu haben. Armenische Kämpfer in Bergkarabach erklärten, das aserbaidschanische Militär habe nur fünf Minuten nach Inkrafttreten der Waffenruhe eine neue Offensive gestartet. Die aserbaidschanische Führung in Baku wiederum behauptete, feindliche Kräfte in Bergkarabach hätten aserbaidschanisches Territorium beschossen.

Geschlossene Grenzen

Mit 30.000 Quadratkilometern ist Armenien etwa so groß wie Belgien. Das christliche Land ist umgeben von islamisch geprägten Staaten. Die Kriege der Vergangenheit waren auch religiös bedingt, sie belasten bis heute die Beziehungen zu den Nachbarn Aserbaidschan und Türkei. Die Grenzen zu diesen Nachbarn sind geschlossen.

Nur über die schmale Grenze zum Iran und über Georgien kann Armenien hinaus in die Welt und Handel treiben. Auch die Folgen des schweren Erdbebens von Spitak im Jahr 1988 mit Zehntausenden Toten lasten auf dem Gemüt der Menschen in dem armen Land, das nur wenige Rohstoffe hat.

Mehr als sieben Millionen Armenier leben im Ausland, in der Diaspora. Fast jeder Diaspora-Armenier hat ein Bild des Ararat im Haus. Der Berg, an dem die Arche Noah nach der Flut gestrandet sein soll, ist das Nationalsymbol, das allerdings in der Türkei liegt. Von armenischer Seite lässt sich der Berg, den sich einst die Osmanen schnappten, nicht besteigen.

Verbündete

Das Land braucht Verbündete. Wie Russland. Warum Armenien Moskau braucht, erklärt der Politologe Aleksander Iskandarjan: "Schaut auf unsere Landkarte! Wenn du in dieser Region Sicherheit haben willst, geht es nicht ohne Russland. Moskau ist der wichtigste Lieferant, Investor und die Garantiemacht für militärische Sicherheit in Armenien.

Zugleich pflegt Moskau allerdings auch gute Beziehungen zu Aserbaidschan und beliefert es mit Waffen. Russland leitet auch zusammen mit Frankreich und den USA die sogenannte Minsk-Gruppe.

„Wir liegen am Rand Europas. Wir grenzen nicht an Österreich oder an die Schweiz. Wir haben schwierige Nachbarn, mit einer gemeinsamen schwierigen Geschichte“, erläutert Politologe Iskandarjan die prekäre Lage. 

Armeniens Außenminister Sohrab Mnatsakanjan soll heute nach Moskau reisen, wie dessen Sprecherin der Nachrichtenagentur AFP sagte. Dort sind Treffen mit Vertretern der Minsk-Gruppe geplant.