Boris Johnson, Jair Bolsonaro und jetzt also auch Donald Trump: Man darf sich fragen, ob das Corona-Virus einen Sinn für Schwarzen Humor besitzt, oder vielleicht doch ansteckender ist, als seine bekanntesten Leugner behaupten. Jetzt hat es sich jedenfalls im mächtigsten Mann der Welt festgesetzt. Die weitere Entwicklung ist offen – das gilt aus medizinischer Sicht, aber ganz besonders auch für den Präsidentschaftswahlkampf.
Trumps engste Beraterin Hope Hicks war am Donnerstag positiv getestet worden; sie ist offenbar erkrankt und zu Hause. Auch nach ihrem Testergebnis hatte Trump noch an einem Fundraiser Dinner teilgenommen. Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge haben enge Mitarbeiter des Präsidenten bestätigt, er wirke geschwächt und zeige leichte Erkältungssymptome. Am 3. November, also in rund einem Monat, findet die Präsidentschaftswahl statt. Trump liegt in den Umfragen hinter seinem Herausforderer Joe Biden, wenngleich der Abstand in den wahlentscheidenden Swing-States zuletzt geschrumpft ist. In der heißesten Phase des Kampfes um das Weiße Haus heißt es für Trump nun erst einmal: Zwangspause.
TV-Duelle dürften ausfallen
Dass die beiden noch geplanten TV-Duelle zwischen Trump und Joe Biden ausfallen, gilt als wahrscheinlich. Darüber wird kaum jemand traurig sein – die erste Fernsehdebatte der beiden am Dienstag geriet zur zermürbenden Schlammschlacht. Schwerer wiegt jedoch: Aufgrund der Quarantäne wird Trump für die nächsten geplanten Wahlkampfauftritte ausfallen. Sein stärkster Trumpf – im Getöse und direkten Kontakt mit seinen Fans die Stimmung zu seinen Gunsten anzuheizen – ist ihm vorerst genommen. 2020 scheint das Corona-Virus den Demokraten ein Wahlkampf-Geschenk zu bereiten.
Gesundheit ist unser oberstes Gut; und sie ist leicht verspielt. Eine Erkrankung sollte nicht in einem Wahlkampf gegen einen Gegner verwendet werden. Und doch kann sie wahlentscheidend sein. 2016 profitierte Trump von Hillary Clintons Schwächeanfall. Nun zählt er selbst als 74-Jähriger zur Risikogruppe Nummer eins. Zugleich bedeutet seine persönliche Malaise auch das Risiko einer neuen Staatskrise: Offensichtlich hat das Virus jetzt den inneren Führungszirkel der USA erreicht. Rund 20 Personen – Berater und Familienmitglieder – befanden sich noch vor wenigen Tagen mit ihm an Bord der Präsidentenmaschine. Wie es jetzt weiter geht, ist unklar – und allein dieses Faktum schwächt die Führung der Vereinigten Staaten, die ohnehin im Krisenmodus steckt; Stichwort: Wirtschaftskrise, Rassenunruhen, Jahrhundert-Brände.
Muss jetzt Pence übernehmen?
Kann Trump weiter regieren? Kann er zur Wahl antreten? Muss Vize-Präsident Pence die Amtsgeschäfte übernehmen? All das steht in den Sternen. Die Börsen reagierten nervös. Schon sind Gerüchte im Umlauf, Trump wolle die Wahl verschieben, was theoretisch möglich, im US-System aber extrem schwer durchzuführen ist. Pence wurde am Freitag negativ getestet. Sollte Trump nicht antreten können, müssten die Republikaner einen neuen Parteikongress einberufen – oder wegen des Zeitdrucks gleich Pence zum Kandidaten berufen.
Trump kann jetzt nur hoffen. Ausgerechnet ihn, der, wie er selbst eingestand, über Monate hinweg die Gefahren des Virus bewusst geleugnet hat, der massenweise Falschmeldungen darüber in die Welt twitterte, hat es nun erwischt. Wenn er Glück hat, bleibt er gesund – dann kann er sich selbst als den angeblichen Beweis dafür verkaufen, das Virus sei ja gar nicht gefährlich. Erkrankt er schwer, wird die Lage in jeder Hinsicht heikel. Die Amerikaner wünschen sich einen starken, gesunden „Commander-in-Chief“.
Der Oberbefehlshaber soll nicht schon bei der Wahl schwächeln. Der junge John F. Kennedy oder der einstige Cowboydarsteller Ronald Reagan passten für diese Erwartungshaltung perfekt ins Bild, wenngleich auch sie, wie sich später zeigte, mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatten. Hillary Clinton konnte ihre angeschlagene Gesundheit nicht mehr kaschieren und strauchelte.
208.000 Menschen sind in den USA der Johns-Hopkins-Universität zufolge heuer bereits im Zusammenhang mit der Pandemie gestorben. Gut möglich, dass sie für Trump, wo er nun selbst betroffen ist, mehr sind als statistische Zahlen. Als Präsident darf er hoffen, dass ihm die „beste medizinische Unterstützung“, auf die er nun setzen will, eine Chance gib