Der designierte libanesische Ministerpräsident Mustafa Adib ist am Samstag zurückgetreten, nachdem ihm trotz wochenlanger Bemühungen die Bildung einer Regierung nicht gelungen war. Er gebe die Aufgabe der Regierungsbildung auf, sagte Adib nach einem Treffen mit Staatspräsident Michel Aoun. Streit hatte es zuvor vor allem über die Besetzung des Postens des Finanzministers gegeben. Der Libanon steckt in der tiefsten Krise seit dem Ende des 15-jährigen Bürgerkriegs 1990.
Das Land versinkt in Schulden, seine Banken sind gelähmt und die Währung ist im freien Fall. Erste Aufgabe einer neuen Regierung wäre es, die festgefahrenen Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein Rettungspaket wieder in Gang zu bringen. Die Vorgängerregierung war nach der Explosionskatastrophe in der Hauptstadt Beirut vom 4. August zurückgetreten, bei der mehr als 190 Menschen getötet , rund 6.000 verletzt und Hunderttausende obdachlos geworden waren.
Adib, der frühere Botschafter des Libanon in Berlin, war Ende August ausgewählt worden, ein neues Kabinett aus Experten zu formen. Vor allem Frankreich hatte starken Druck auf die Vertreter der Religionsgemeinschaften in dem Land ausgeübt, sich rasch auf eine neue Regierung zu einigen. Die Konfessionen - allen voran Muslime und Christen - teilen sich im Libanon die Macht, das Amt des Finanzministers wurde bisher von einem Schiiten bekleidet. Über die Besetzung des Postens war es zum Streit zwischen dem Sunniten Adib und den beiden größten Schiiten-Parteien Amal und Hisbollah gekommen.
Politische Führung für Explosion verantwortlich gemacht
Viele Menschen im Libanon machen die politische Führung des Landes für die Explosionskatastrophe in Beirut verantwortlich. Schon vor dem Unglück steckte der Libanon in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Bürgerkrieg, der 1990 zu Ende ging. In Massen gingen die Menschen gegen die Regierung auf die Straße, teils kam es zu Unruhen. Die Corona-Pandemie und die Explosion in Beirut haben die Lage weiter verschärft.
Frankreich will dem Land dringend benötigte Hilfe geben, forderte im Gegenzug aber weitreichende Reformen - etwa im Kampf gegen die Korruption. Präsident Emmanuel Macron hatte die Hilfe an eine schnelle Regierungsbildung geknüpft und den libanesischen Parteien am 1. September eine fünfzehntägige Frist dafür gesetzt - die bereits verlängert werden musste.
Adib entschuldigte sich am Samstag dafür, dass er die ihm übertragene Aufgabe nicht erfüllte. Er hoffe, dass sein Nachfolger erfolgreicher sein werde, sagte Adib in einer Fernsehansprache. Bis jetzt ist unklar, wer mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt wird. "Der Präsident akzeptierte den Rücktritt und wird die geeigneten Maßnahmen im Einklang mit der Verfassung ergreifen", hieß es dazu aus dem Präsidialpalast auf Twitter.
Auch Aoun hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, das Proporzsystem bei der Vergabe von Regierungsposten zu überdenken. Ohne eine baldige Regierungsbildung droht dem Libanon Aoun zufolge eine "Fahrt zur Hölle".