Um 23 Uhr unserer Zeit war es Samstagabend definitiv: US-Präsident Donald Trump hat seine Nominierung für die freie Stelle am Obersten Gerichtshof verkündet. Er nominierte Amy Coney Barrett als Nachfolgerin der verstorbenen liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg.
Unter dem Jubel seiner Anhänger verkündete Trump seine Entscheidung im Rosengarten des Weißen Hauses. "Sie werden fantastisch sein", sagte Trump zur 48-Jährigen. Während Barrett ihre Unabhängigkeit und Verfassungstreue betonte, übten die oppositionellen Demokraten scharfe Kritik.
Der US-Präsident lobte seine Kandidatin als eine der "brillantesten und talentiertesten Rechtsgelehrten" und betonte, dass sie "äußerst qualifiziert für den Job" sei. Er spielte damit auf Kritik an der mangelnden Richtererfahrung der 48-Jährigen an, die erst im Jahr 2017 einen Posten als Bundesberufungsrichterin in Chicago erhalten hatte.
Senat muss nun entscheiden
Trump entschied sich wie erwartet für die 48-Jährige, die immer wieder darauf hinweist, eine gläubige Katholikin zu sein. Nun muss noch der Senat darüber entscheiden: Die Republikaner haben eine Mehrheit im Senat, der diese Nominierung bestätigen muss. Stimmt der Senat zu, dann haben die Konservativen künftig im Höchstgericht der USA eine Zweidrittel-Mehrheit. Und es sieht derzeit nicht danach aus, dass es dort zu einer Blockade kommen könnte. Trump zeigte sich auch zuversichtlich, dass die Bestätigung der Nominierung durch den US-Senat schnell und problemlos erfolgen werde. Später sagte er vor Journalisten, dass die Anhörung Barretts im Senat am 12. Oktober beginnen werde.
Das Oberste Gericht hat in den USA das letzte Wort bei Grundsatzfragen zu Streitthemen wie Abtreibung, Einwanderung, Waffenrecht und Diskriminierung. Gegner Barretts befürchten, dass die gläubige Katholikin und Abtreibungsgegnerin entscheidend dazu beitragen könnte, das im Jahr 1973 ergangene Grundsatzurteil zur Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs auszuhebeln.
Erste Reaktionen auf die Nominierung
Führende Demokraten hoben in ersten Reaktionen aber vor allem die Gesundheitsreform Obamacare hervor, die nun vom Höchstgericht aufgehoben werden könnte. Trumps Herausforderer Joe Biden verwies darauf, dass Barrett vor acht Jahren Kritik an der Argumentation des Obersten Gerichts zur Bestätigung der Reform geübt habe. Mit der Nominierung Barretts habe Präsident Donald Trump "die Gesundheitsversorgung der Amerikaner erneut ins Visier genommen", so Biden. Der demokratische Minderheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, rief die Wähler dazu auf, Druck auf die republikanischen Senatoren zu machen. "Wenn die Amerikaner mehr über Barretts Ansichten erfahren, wird sie sehr unpopulär werden", sagte er.
Die designierte Verfassungsrichterin war beim gemeinsamen Auftritt mit Trump bestrebt, Zweifel an ihrer Unabhängigkeit zu zerstreuen. "Richter machen keine Politik", zitierte Barrett ihren Mentor, den im Jahr 2016 verstorbenen Verfassungsrichter Antonin Scalia. Zugleich betonte sie, dass dieser trotz tiefer inhaltlicher Differenzen immer eine "warme Freundschaft" mit der liberalen Höchstrichterin Ginsburg gepflegt habe. Inhaltliche Diskussionen dürften persönliche Zuneigung nicht zerstören. Diesem "Maßstab" wolle auch sie selbst entsprechen.
"Ich liebe die Vereinigten Staaten und ich liebe die Verfassung der Vereinigten Staaten", sagte Barrett. Sie betonte, dass sie ihr Amt "nicht für mich und meinen Kreis" ausüben werde, "sondern um ihnen zu dienen". Ihre Aufgabe werde es sein, für gleiche Rechte für alle zu sorgen, versprach die Katholikin.
Er wolle das Oberste Gericht auch mit Blick auf mögliche Streitigkeiten um den Ausgang der Präsidentenwahl komplett besetzt haben, hatte Trump schon im Vorfeld der Nominierung erklärt. Der Präsident behauptet bereits seit Wochen, dass per Post abgeschickte Stimmzettel die Gefahr von Wahlfälschung drastisch erhöhten. Experten bestreiten dies.
Rechtsruck befürchtet
Die Demokraten fürchten nun einen Rechtsruck im Supreme Court - und damit potenziell auch in der amerikanischen Gesellschaft allgemein. Sie hatten im Vorfeld verlangt, dass die Ernennung auf die Zeit nach der Präsidentenwahl am 3. November verschoben wird.
Das Ringen um das Höchstgericht spielt auch eine große Rolle im Präsidentschaftswahlkampf. Das Thema könnte insbesondere Anhänger von Trumps Herausforderer Biden mobilisieren. So wies die Senatorin Elizabeth Warren in einer ersten Reaktion darauf hin, dass der Supreme Court auch über eine mögliche Anfechtung des Urnengangs am 3. November entscheiden könnte. "Wir müssen gewinnen, und wir müssen klar gewinnen", betonte Warren. Mit der Nominierung Barretts würden die Republikaner, die "in den letzten Zügen liegen", einen weiteren Posten im Höchstgericht "stehlen", damit sie dem Land eine Politik aufzwingen könnten, die nicht mehrheitsfähig sei, empörte sich Warren.
Trump hat bereits zwei Posten am Supreme Court besetzt. Die erste Personalie landete nur deswegen auf seinem Tisch, weil die republikanische Mehrheit im Senat fast ein Jahr lang einen Kandidaten des damaligen demokratischen Präsidenten Barack Obama blockiert hatten. Mehrheitsführer McConnell erklärte damals, dass der Senat in einem Wahljahr grundsätzlich keine Richterposten am Supreme Court besetzen sollte. Nun argumentiert er, dass das Weiße Haus und der Senat in der Hand einer Partei seien. Umfragen geben den Demokraten gute Chancen, bei der Wahl im November das Amt des Präsidenten und die Kontrolle über die mächtigere Parlamentskammer zu gewinnen.
Barrett war 2017 von Trump für einen Sitz am Bundesberufungsgericht in Chicago nominiert worden. Bei der Anhörung für diesen Posten betonte die siebenfache Mutter, dass sie sich nur vom Gesetz und nicht von ihrem Glauben leiten lassen wolle. Gegner eines strengeren Abtreibungsrechts befürchten allerdings, dass sie als Verfassungsrichterin für eine Aufhebung eines Urteils des Supreme Court von 1973 stimmen würde, das ein landesweites Recht auf Abtreibung festschreibt. Aber es gibt noch weitere acht Richter des Supreme Courts.