Eine Beförderung ist im Vatikan nicht immer auch ein Aufstieg. Als Papst Franziskus Giovanni Angelo Becciu im Frühjahr 2018 zum Chef für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse und bald darauf auch zum Kardinal ernannte, war Kennern klar: Hier wird jemand mit einem ehrwürdigen Posten bedacht, um ihn unauffällig zu parken. „Als „Promoveatur ut amoveator“ bezeichnen Prälaten dieses Vorgehen auf Lateinisch. Der heute 72 Jahre alte Becciu war jahrelang einer der mächtigsten Strippenzieher im Vatikan. Am Donnerstag wurde er vom Papst endgültig fallen gelassen und musste seinen Rücktritt einreichen. Sogar seine Kardinalsrechte, etwa die Teilnahme an einem Konklave, büßte Becciu ein.
Beccius Wirken im Vatikan war seit Jahren umstritten. Das hat mit seiner Tätigkeit als Substitut im Staatssekretariat zu tun, die er von 2011 bis 2018 ausübte. Ernannt wurde er noch von Benedikt XVI, zuvor tourte der Sarde als Vatikan-Diplomat um die halbe Welt. Der Substitut ist der Stellvertreter des Kardinalstaatssekretärs, der viele repräsentative Aufgaben hat. Beim Substituten hingegen laufen intern alle Fäden zusammen. Zudem wacht er über den best gehüteten Schatz im Vatikan, die Kasse des Staatssekretariats mit geheimen Fonds oder den Peterspfennig.Das sind die Spenden von Gläubigen, die der Papst zu karitativen Zwecken einsetzen soll. Auf 700 Millionen Euro schätzten Experten das Gesamt-Volumen dieser Geheim-Kasse. Becciu tat alles dafür, damit der Umgang mit diesen Geldern undurchsichtig und dem Controlling unzugänglich blieb.
Streben nach mehr Transparenz
Nach seiner Wahl 2013 richtete Papst Franziskus im Streben um mehr Transparenz ein Sekretariat für Wirtschaft ein, dessen Manager sich allerdings die Zähne ausbissen, vor allem an Becciu. Denn der dachte nicht daran, den Vorhang vor den nebulösen Geschäften des Staatssekretariats zu lüften. Becciu zwang 2017 den Vatikan-Rechnungsprüfer Libero Milone zum Rücktritt und beschuldigte ihn der Spitzelei. Milone konterte, man lasse ihn nicht seine Arbeit machen. Er habe Informationen über Vatikan-Konten in der Schweiz erbeten. „Einige Leute waren besorgt, dass ich etwas entdecken könnte, was ich nicht sehen sollte“, sagte Milone damals. Damit war vor allem Becciu gemeint. Der Papst verstand – und parkte den Prälaten als Chef der prestigeträchtigen, aber einflusslosen Behörde für Selig- und Heiligsprechungen.
Im Oktober 2019 folgte eine spektakuläre Razzia im Kirchenstaat. Vatikan-Staatsanwälte ließen erstmals Akten im Staatssekretariat, der Regierungszentrale, beschlagnahmen. Fünf Kurienmitarbeiter wurden vom Dienst suspendiert, darunter der Kassenwart und ehemalige Privatsekretär Beccius, Mauro Carlino. Sogar die interne Finanzaufsicht AIF geriet ins Visier. Es ging um eine fragwürdige Geldanlage des Vatikans in London. In der Sloane Avenue im vornehmen Stadtteil Chelsea hatte Becciu den Vatikan am Erwerb einer Luxus-Immobilie beteiligt. Die Rede ist von bis zu 300 Millionen Euro. Offiziell wurde das Geschäft als Geldanlage deklariert, offenbar war aber das Gegenteil der Fall. Der Heilige Stuhl schrieb Millionen-Verluste. Franziskus sagte einmal: „Wenn wir es nicht verstehen, das Geld zu hüten, das man sieht, wie wollen wir dann die Seelen der Gläubigen hüten, die man nicht sieht?“
Zuwendungen für den Bruder
Das Fass zum Überlaufen brachten nun offenbar weitere undurchsichtige Geschäft mit Geldern, die eigentlich für karitative Zwecke bestimmt waren. Wie es heißt, soll Becciu noch als Substitut die katholische Kooperative seines Bruders auf Sardinien mit mehreren Hunderttausend Euro begünstigt haben. Der Prälat beteuert seine Unschuld. Seinen Rauswurf konnte er jedoch nicht verhindern.
Julius Müller-Meiningen aus Rom