Einen Monat vor der US-Präsidentschaftswahl richtet sich das Augenmerk auf einige wenige Bundesstaaten, in denen der Sieger nicht von vornherein festzustehen scheint. Einer dieser Staaten ist Wisconsin, der vor vier Jahren ganz knapp vor den Republikaner Donald Trump gestimmt hat und der jüngst auch durch die Unruhen in Kenosha ins Rampenlicht geraten ist.
Die APA hat ein Ehepaar in Wisconsin zur politischen Lage befragt. Don (66) und Susan (65) sind seit 34 Jahren miteinander verheiratet und wohnen in der Kleinstadt Burlington (Wisconsin). Susans Familie stammt aus dem Raum Kenosha (Wisconsin), Don ist aus Oswego (New York) zugezogen. Aus ihrer Skepsis gegenüber dem Amtsinhaber machen sie dabei keinen Hehl.
Wie ist derzeit die politische Stimmung im "Battleground State" Wisconsin Ihrer Meinung nach?
Don: Wir haben diese Art von Unruhen und auch die Gespaltenheit in diesem Land, wie wir sie jetzt haben, schon lange nicht mehr gesehen. Die meisten Personen, die ich in meinem Umfeld kenne, sind Demokraten. Ich hatte in letzter Zeit nicht so viel Kontakt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sich in Folge der Unruhen viel verändert hat. Die sind weiter für die Demokraten, also für Joe Biden.
Susan: In meiner Familie ist es halbe-halbe. Da ist die eine Hälfte der Familie für Trump, und die andere für Biden.
Haben für Sie die Besuche der Spitzenkandidaten in Kenosha (Wisconsin) viel verändert?
Don: Ich unterstütze auf jeden Fall, dass Biden nach Kenosha gekommen ist.
Susan: Ich bin froh, dass Biden gekommen ist. Aber selbst wenn er nicht gekommen wäre, hätte ich ihn gewählt.
Don: Die Kernwähler von Trump werden seine Kernwähler bleiben - da wird sich hier nicht viel verändern. Die sind unnachgiebig. Die haben Angst, dass ihnen Biden ihre "Second Amendement Rights" (Waffenrechte) wegnimmt.
Susan: Da ist Trump halt sehr stark dafür. Die Mehrzahl der Leute will aber in Wahrheit das Second Amendment nicht ganz gestrichen haben. Die verstehen, dass die Leute schießen wollen und Gewehre für die Jagd haben möchten. Aber man braucht ja deswegen nicht gleich einen auf Wilden Westen machen.
Was sind für Sie die Hauptunterschiede zwischen den beiden Kandidaten?
Don: Wir haben gesehen, wie spaltend die aktuelle Administration sein kann und auch ist. Biden haben wir mehr als eine Person wahrgenommen, die die Leute zusammen bringen will und vereinigen kann - der Dinge besprechen will und nicht die Leute bedroht. Der will sich mit den Leuten an einen Tisch setzen, während die Devise der derzeitigen Regierung momentan eher "My way or the Highway" lautet. Zumindest ist das meine Interpretation davon. Wir haben einen lügenden, selbstgerechten und egoistischen Verrückten im Weißen Haus. Wenn Leute mit ihm nicht einer Meinung sind, schmeißt er sie raus. Leute, die seinen Wahlkampf unterstützt haben, belohnt er im Gegenzug mit Posten. Und wenn man mit dem, was er will, nicht einverstanden ist, dann ist man weg vom Fenster.
Susan: Die Lügen und das Bullying - das muss einfach aufhören!
Was sind für Sie die wichtigsten Themen, die der nächste Präsident der USA ansprechen muss?
Don: Ich will nicht sagen, dass wir ein rassistisches Land sind, weil ich das nicht glaube, aber wir haben auf jeden Fall Probleme mit Rassismus. Meiner Meinung nach macht Trump das nur schlimmer - so wie er sich verhält und was er sagt, das was er kommentiert und das, was er nicht kommentiert. Ich glaube, dass wir ein Problem mit der Gesundheitsvorsorge haben, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man für Trump stimmen kann, wenn er Obamacare abschaffen will, selber aber nichts stattdessen anzubieten hat.
Welche Rolle spielen die Medien im Wahlkampf?
Don: Wenn man die meisten Nachrichten nur mehr über Twitter bekommt, dann ist das ein Problem. Die Leute wollen nicht mehr die Zeit investieren, mehr herauszufinden, zu lesen und auch die Dinge sich genauer anzuschauen. Ich mag, dass die Mainstream-Medien immer mehr Trump herausfordern und es sagen, wenn scheinbare Tatsachen, die der Präsident behauptet, in Wahrheit gar nicht stimmen. Trump wird dann an den Punkt gedrängt, wo er sich einfach umdreht und sogar eine Pressekonferenz verlässt.
Susan: Ich glaube nicht, dass richtige Trump-Unterstützer wirklich nach der Wahrheit suchen. Die schlucken die gesamte Propaganda.
Wie stehen Sie zu "Defund the Police" und dem Fall Jacob Blake in Kenosha?
Susan: Ich glaube an die Polizei, aber die Zeiten haben sich verändert und es muss eine andere Art geben, mit den Leuten umzugehen. Egal welche Hautfarbe man hat oder welcher Ethnie man angehört. Jacob Blake hatte ja eigentlich einiges auf dem Kerbholz, das lässt sich ja leicht überprüfen. Aber es gibt keinen Grund, warum jemand ihm aus kurzer Distanz in den Rücken schießen sollte. Und der Polizist, der auf ihn geschossen hat, war bereits seit sieben Jahren dort! Die brauchen eine bessere Ausbildung. Die sollen mehr Geld in die Hand nehmen und diese Leute ausbilden! Jemandem, der vielleicht ein Messer hat, folge ich ja nicht aus kurzer Distanz! Was für ein Polizist ist das überhaupt?
Don: Wir hatten in meiner Arbeit im Management sehr viele Ausbildungen zum Thema Konfliktmanagement. Das ist nicht so unähnlich zur Polizeiarbeit. Klar, der hat eine Pistole und es geht um Leben und Tod. Aber ich glaube daran, mit den Leuten zu reden und ihre Seite zu verstehen und die Regeln klar zu machen. Man soll niemanden herausfordern, das geht für keine Seite gut aus. Jetzt sagen sie, dass Joe Biden der Polizei das Budget kürzen wird. Das könnte aber nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Der will ihnen mehr Geld geben und mehr Ressourcen, damit sie ihre Arbeit besser erledigen können.
Von Siegmund Skalar aus Kenosha