Bei US-Präsidentschaftswahlen tendieren Frauen statistisch eher dazu, die Demokraten zu wählen. Die resultierende "Gender-Gap", also die Wahldiskrepanz zwischen Männern und Frauen, dürfte in den vergangenen vier Jahren nicht kleiner geworden sein. Wie die US-Politologin Kira Sanbonmatsu im APA-Gespräch erklärt, liegt dies nicht nur an der Person von US-Präsident Donald Trump. Vielmehr sprechen die Demokraten Frauen auch thematisch stärker an.
In den Umfragen liegt US-Präsident Trump derzeit klar hinter seinem Herausforderer Joe Biden. Auffallend deutlich mehr Frauen entscheiden sich derzeit für Joe Biden. Auch beim Stimmungsbarometer zur Arbeit des Präsidenten fällt auf, dass die meisten "sehr unzufrieden" in Umfragen von Frauen kamen. Bei den Fürsprechern, die dem Präsidenten die Note "sehr zufrieden" oder "zufrieden" ausstellten, haben unterdessen die männlichen Befragten einen Überhang.
Daten sind eindeutig
Bei der "Gender Gap", also dem Unterschied zwischen dem Prozentsatz von Männern und Frauen, die sich für einen bestimmten Kandidaten entscheiden, sind die Daten ziemlich eindeutig. Traditionell haben Frauen in den USA bevorzugt Kandidatinnen aus den Reihen der Demokraten gewählt. Aktuellen Umfragen zufolge liegt dieses Gefälle im Fall von Joe Biden zwischen acht und dreizehn Prozentpunkten.
"Trump hat Schwierigkeiten mit den weiblichen Wählern", erklärt die Politikwissenschaftlerin Sanbonmatsu. Trump sei nicht nur unpopulär bei weiblichen Wählern, sondern habe auch bei vielen Themen enttäuscht, die Frauen unverhältnismäßig stark betreffen würden, nicht zuletzt die Covid-19 Pandemie, sagte die Forscherin an der Rutgers University. "Es würde mich nicht wundern, wenn wir eine größere Gender Gap hätten als im Jahr 2016".
Noch markanter als 2016
Schon bei Donald Trumps Sieg im Jahr 2016 gab es einen markanten Unterschied im Wahlverhalten der beiden Geschlechter. 52 Prozent der Männer, aber nur 41 Prozent der Frauen wählten Trump, ergab eine Auswertung des Center for American Women and Politics (CAWP) der Rutgers University. Der Gender Gap lag also bei elf Prozentpunkten.
In den USA haben Frauen allerdings ein deutliches Übergewicht bei den Wählern. So ist nicht nur seit den sechziger Jahren die absolute Zahl weiblicher Wähler bei Präsidentschaftswahlen höher als die männlicher. Auch die Wahlbeteiligung von Frauen liegt seit 1980 konstant höher als jene der Männer. Das würde wiederum auch die Aufmerksamkeit der Präsidentschaftskandidaten garantieren, meint Sanbonmatsu. "Frauen haben an der Wahlurne eine Menge Macht".
Frauenwahlbeteiligung höher
Bei der Präsidentschaftswahl 2016 wählten 63,3 Prozent der wahlberechtigten Frauen und nur 59,3 Prozent der wahlberechtigten Männer. In absoluten Zahlen bedeutet dies nach den CAWP-Daten, dass Frauen zehn Millionen Stimmen mehr abgaben als Männer. "Die Gender Gap spielt insofern eine Rolle, als ein kleines Gefälle einen großen Unterschied beim Wahlergebnis machen kann", erklärt Sanbonmatsu. "Und wenn es nur nach den Frauen ginge, dann hätten wir jetzt einen anderen Präsidenten."
Viele Themen, die für Frauen wichtig sind, seien traditionell bei den Demokraten angesiedelt, attestiert Sanbonmatsu. So würden Frauen tendenziell eine aktivistischere Rolle der Regierung bevorzugen, was im Gegensatz zu den Forderungen vieler Republikaner steht. Zudem hätten sich die Demokraten in der Vergangenheit besonders für Frauenrechte stark gemacht. Bei den Republikanern würde man unterdessen oftmals sehr traditionelle Rollenbilder bevorzugen.
Ginsburg als Impuls
In Folge des überraschenden Tods von Höchstrichterin Ruth Bader Ginsburg hatte zuletzt US-Präsident Trump angekündigt, möglicherweise noch vor der Wahl eine neue Höchstrichterin bestellen zu wollen. Selbst wenn Donald Trump nun eine Frau einsetzen würde, dürfte sich jedoch an der Gender Gap nicht viel verändern. Damit könne er höchstens "symbolisch an ein paar Wähler appellieren", meint Sanbonmatsu.
Ein Über-den-Kamm-Scheren von allen weiblichen Wählern in den USA hält Sanbonmatsu dennoch nicht für zielführend. "Die Gender Gap zeigt die Nuancen nicht". Einer aktuellen Umfrage von Fox-News (9-10. Sept.) zufolge erzielen sowohl Biden und Trump bei weißen Frauen in etwa gleich viele Stimmen. Unter wahlberechtigten Frauen nicht-weißer Abstammung jedoch entschieden sich überwiegende 78 Prozent für den Herausforderer Biden.
Von Siegmund Skalar aus Seattle