200.000 Coronatote, der stärkste Wirtschaftseinbruch seit der Großen Depression und soziale Unruhen, wie sie das Land in fünf Jahrzehnten nicht gesehen hat: Selten hat sich ein US-Präsident in einem schwierigeren Umfeld der Wiederwahl gestellt als Donald Trump. Dass der Republikaner dennoch auf eine zweite Amtszeit hoffen darf, verdankt er seinen treuen Anhängern. Sie stehen zu ihm, weil er in seinen ersten vier Jahren vieles vom Versprochenen "geliefert" hat. Ein Überblick:
KAMPF GEGEN DAS ESTABLISHMENT
Machtgierig, abgehoben und verkommen: So sehen viele Amerikaner ihre Politiker. In ihnen wähnen sie Widergänger der englischen Tyrannen, von denen sie sich einst lossagten. Die US-Politik hatte somit immer auch eine populistische Note. Donald Trump ist die jüngste Ausprägung des US-Populismus, aber auch die radikalste. Der 45. US-Präsident ist nämlich der erste, der zuvor weder ein politisches noch ein militärisches Amt innehatte. Entsprechend glaubwürdig konnte er im Wahlkampf 2016 versprechen, dass er den "Sumpf" in Washington "trockenlegen" werde. Dass er in gut drei Jahren mehr als 400 Spitzenbeamte - vom FBI-Chef bis zum Außenminister - gefeuert hat, stärkte nur das Image des beherzt gegen das Politkartell kämpfenden Außenseiters. Ebenso wie das von den Demokraten angestrengte Amtsenthebungsverfahren, das Trump zur "Hexenjagd" erklärte. Seine Anti-Establishment-Haltung bleibt politisch vielversprechend, zumal einer aktuellen Umfrage zufolge nur noch 20 Prozent der Amerikaner Vertrauen in die Bundesregierung haben. "Je wütender ihn die Medien und Experten angreifen und widerlegen, desto mehr schlagen sich die Leute auf seine Seite", konstatierte Trumps Ex-Sprecher Sean Spicer jüngst in einem Interview mit dem ZDF.
KONSERVATIVE REVOLUTION
Die Bibel hält er mitunter etwas ungelenk, aber den "Bible Belt" hat er fest im Griff. Für christliche Fundamentalisten, deren Hochburgen in einigen Südstaaten liegen, ist Donald Trump der Traumpräsident. Unterstützt durch die republikanische Mehrheit im Senat hat er mehr als 200 konservative Bundesrichter ernannt, so viele wie kaum ein Präsident vor ihm. Damit hat mehr als ein Viertel der 792 Bundesrichter ihr Ernennungsschreiben von Trump erhalten. "Damit werden konservative Prinzipien für mindestens eine Generation vorherrschen", frohlockt Trumps Ex-Sprecher Spicer. Auch im Höchstgericht haben sich die Gewichte unter Trump massiv verschoben, konnte er doch zwei von neun Höchstrichtern ernennen. Nach dem Tod der liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg will er die konservative Vorherrschaft am Supreme Court durch eine dritte Ernennung zementieren. Damit rückt nicht nur eine Aufhebung der verhassten Gesundheitsreform "Obamacare" in greifbare Nähe, selbst das Grundsatzurteil zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Jahr 1973 könnte zurückgenommen werden. Punkten kann Trump auch, indem er sich angesichts der Anti-Rassismus-Proteste als "Präsident von Recht und Ordnung" präsentiert und sich kompromisslos hinter die Polizei sowie den zweiten Verfassungszusatz stellt, der den US-Bürgern das Recht zum Waffentragen garantiert.
MIGRATION
Der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko war das Top-Wahlkampfversprechen Trumps. Das Anti-Migrations-Projekt lief zunächst gut an, doch drehte der Kongress bald den Geldhahn zu. So konnten nur 170 der 800 Kilometer gebaut werden, die Zahl der Aufgriffe erreichte im Mai 2019 mit 144.000 einen Rekordwert. Also änderte Trump seine Strategie und brachte die mittelamerikanischen Herkunfts- und Transitländer mit der Androhung von Strafzöllen zur Kooperation. Mexiko wurde so zur Sicherung seiner Südgrenze gebracht, Honduras und Guatemala verpflichteten sich als "sichere Drittstaaten" zur Rücknahme von Migranten. Nun werden jeden Monat zwischen 30.000 und 50.000 Migranten an der Südgrenze gefasst, so viel wie zu Beginn von Trumps Amtszeit und am Ende der Amtszeit seines Vorgängers Barack Obama.
WIRTSCHAFT UND ARBEITSPLÄTZE
Wenn die Trump-Kampagne nur mit einer Kennzahl operieren dürfte, dann wären es wohl die magischen "3,5 Prozent". Es ist dies die Arbeitslosenquote im heutigen Februar, der niedrigste Wert seit 51 Jahren. Zwar ist die Arbeitslosenrate durch die Coronakrise auf fast 15 Prozent hinaufgeschossen, doch vertrauen weiterhin mehr Amerikaner der Wirtschaftspolitik des Amtsinhabers als jener seines Herausforderers. Trumps Wirtschaftspolitik gilt als unorthodox und spricht die Arbeiterklasse genauso an wie die Unternehmer. Er setzte auf massive Deregulierung, Steuersenkungen auf Pump und schüttete in der Coronakrise auch das soziale Füllhorn aus. Bewusst ließ er Umweltauflagen streichen, damit Industriebetriebe und Bergbauunternehmen im "Rostgürtel" der USA wieder öffnen könnten. Einst Demokraten-Hochburgen, sind die dortigen Gebiete nun zu "Trumpland" geworden.
AMERICA FIRST
Der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen, Strafzölle gegen die Europäische Union und China sowie Drohungen gegen die NATO-Partner: Womit Donald Trump die Welt vor den Kopf stößt, damit punktet er bei seinen Wählern. Mit dem Versprechen, die amerikanische Industrieproduktion wieder anzukurbeln und das massive Handelsbilanzdefizit des Landes zu verringern, hat sich Trump im Jahr 2016 entscheidende Stimmen in der Arbeiterschaft gesichert, die seit Ronald Reagan nicht mehr republikanisch gewählt hat. "Wir sind das Sparschwein der Welt, wir werden von China und Europa ausgenützt", polterte er. "Ich möchte den amerikanischen Arbeiter, die Unternehmen schützen. Man wird uns nicht mehr über den Tisch ziehen, ihr werdet das sehen." Gesagt, getan. Mit Strafzöllen bringt Trump die Europäische Union im Juli 2018 dazu, dem Kauf von amerikanischem Soja und Gas zuzustimmen. Im November 2018 einigte er sich mit Kanada und Mexiko auf einen neuen Handelsvertrag, ein Jahr später folgte Japan und im Jänner 2020 dann auch China. Nachhaltig verringert haben die Deals das US-Handelsdefizit aber bisher nicht, im Gegenteil. So wurde heuer im Juli mit 80 Milliarden Dollar das höchste Monatsdefizit seit zwölf Jahren erreicht, berichtete das ZDF.
ISOLATIONISMUS
Die Trumpsche Außenpolitik unterscheidet sich wesentlich von jener seiner Vorgänger. Während selbst republikanische Urgesteine wie sein früherer Sicherheitsberater John Bolton ein vernichtendes Bild seiner internationalen Performance zeichnen, sieht Trump auch in diesem Bereich seine Wahlkampfankündigungen erfüllt. So nimmt er für sich in Anspruch, die US-Truppenpräsenz international wesentlich verringert zu haben. Den Abzug aus Afghanistan ermöglichte eine heuer getroffene historische Vereinbarung mit den radikalislamischen Taliban. Während sich Teheran mit dem von Trump im Mai 2018 verkündeten Ausstieg aus dem Iran-Atomdeal nicht in die Knie zwingen ließ, vermittelte Trump einen historischen Friedensschluss zwischen Israel und den arabischen Staaten Bahrain und VAE. Andere betont israelfreundliche Züge wie etwa die Anerkennung Jerusalems oder die Vorlage eines Nahost-Friedensplans scheinen sich für ihn bisher eher innenpolitisch zu rentieren, als Signal an erzkonservative Wählerschichten, denen die Verteidigung des "Heiligen Landes" ein besonderes Anliegen ist.
Stefan Vospernik