Machtkampf um Oberstes Gericht: US-Präsident Donald Trump will heute verkünden, wer die verstorbene Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg beerben soll. Der US-Präsident hat angekündigt, dass er eine Frau für die Nachfolge der progressiven Ikone nominieren wird. Richterinnen und Richter am Obersten Gerichtshof werden laut US-Verfassung "auf Anraten und mit Zustimmung" des Senats vom US-Präsidenten ernannt. Der Präsident nominiert die Kandidatin, der US-Senat muss mit mindestens 51 von 100 Stimmen das Okay geben. Momentan sitzen 53 Republikaner, 45 Demokraten und zwei unabhängige Senatoren im Senat. Die Demokraten können also die Einsetzung einer weiteren konservativen Richterin am Supreme Court nicht verhindern.
Richterinnen und Richter am Supreme Court werden auf Lebenszeit ernannt. Die Neubesetzung einer der neun Stellen am Obersten Gerichtshof kann auf Jahrzehnte Konsequenzen für das politische und gesellschaftliche Leben im Land haben.
Fünf Kandidatinnen werden von amerikanischen Medien für die Nachfolge der Verfassungsrichterin am Obersten US-Gericht gehandelt.
Barbara Lagoa: Ihre Eltern flohen einst aus dem sozialistischen Kuba in die USA - jetzt könnte die in Miami geborene Lagoa als erste Juristin mit kubanischen Wurzeln und erst zweite Hispanoamerikanerin Verfassungsrichterin werden. Die 52-jährige Mutter dreier Töchter ist derzeit Richterin am Bundesberufungsgericht in Atlanta im Bundesstaat Georgia. Zuvor hatte sie als Anwältin und Staatsanwältin gearbeitet und zwischenzeitlich am Obersten Gerichtshof des Bundesstaates Florida gedient.
Aufgewachsen im nahe Miami gelegenen Hialeah, studierte Lagoa zunächst Englisch an der Florida International University und dann Jura an der angesehenen Columbia University in New York. Als Anwältin vertrat sie später die in Miami lebenden Verwandten des kubanischen Flüchtlingsjungen Elián González, der zur Jahrtausendwende zum Symbol des ideologischen Grabens zwischen den USA und Kuba geworden war.
Auch Lagoa ist eine konservative Juristin - für Trump ist sie aber besonders aus zwei Gründen interessant: Latinos sind eine wichtige Wählergruppe, und Florida könnte bei der Präsidentschaftswahl am 3. November eine zentrale Rolle spielen. Trump selbst machte das diese Woche deutlich: "Sie ist exzellent. Sie ist Hispano. Sie ist eine fantastische Frau, nach allem, was ich weiß. Ich kenne sie nicht. Florida. Wir lieben Florida."
Amy Coney Barrett: Die 48-jährige Bundesrichterin ist tief religiös, erzkonservativ - und die Favoritin auf den Posten am Supreme Court. In konservativen Kreisen und bei der religiösen Rechten wird die Katholikin wie eine Heldin verehrt. Die siebenfache Mutter, die unter anderem zwei adoptierte Kinder aus Haiti und einen Sohn mit Down-Syndrom hat, ist eine strikte Abtreibungsgegnerin.
Ihre religiösen Ansichten waren immer wieder Stein des Anstoßes. In ihrer Zeit als Jus-Professorin an der renommierten Universität Notre Dame sagte sie einmal in einer Vorlesung, eine Justiz-Karriere sei immer nur ein "Mittel zum Zweck" - und das Ziel sei, "das Reich Gottes aufzubauen".
Bei einer Senatsanhörung für ihre Bestätigung als Richterin am Bundesberufungsgericht in Chicago warf ihr die Senatorin Dianne Feinstein von den Demokraten im Jahr 2017 vor: "Das Dogma lebt laut in Ihnen." Das stärkte aber nur Barretts Ansehen bei Konservativen, eine Gruppe vertrieb gar Tassen mit dem Konterfei der Juristin und dem Feinstein-Satz.
Barrett selbst entgegnete der Senatorin in aller Ruhe, sie könne sehr wohl zwischen ihrem Glauben und ihren Aufgaben als Richterin unterscheiden.
Barrett wuchs in New Orleans im konservativen Süden der USA auf, und unterrichtete nach ihrem Studium in Notre Dame 15 Jahre lang an dieser Universität. Eine Zeitlang war sie Mitarbeiterin des 2016 verstorbenen konservativen Verfassungsrichters Antonin Scalia. Zwar wird sie für ihre geschliffenen juristischen Argumentationen geschätzt, Erfahrung als Richterin hat sie aber recht wenig. Ihre Berufung an das Bundesberufungsgericht in Chicago 2017 brachte ihr den ersten Richterjob.
Ihre Haltung zum Recht auf Abtreibung - eines der meist umkämpften Themen in den USA - ist nicht der einzige Punkt, der Kritiker auf die Barrikaden bringt. Sie hat sich auch für das Recht auf Waffenbesitz eingesetzt und ist gegen die als "Obamacare" bekannte Gesundheitsreform von Trumps Amtsvorgänger Barack Obama vorgegangen.
Das macht sie wiederum für Trump attraktiv, der mit ihrer Nominierung einige Wochen vor der Präsidentschaftswahl am 3. November die konservative Basis neu mobilisieren könnte.
JOAN LARSEN: Während der Amtszeit von Präsident George W. Bush arbeitete die 51-Jährige im Justizministerium. Dort soll sie im Jahr 2002 - in der Hochzeit des „Kriegs gegen den Terror“ - unter anderem Mitautorin eines immer noch geheimen Dokuments gewesen sein, in dem es um Rechte festgehaltener Personen ging.
Nach dem Job in Washington unterrichtete Larsen rund ein Jahrzehnt Recht an der University of Michigan. 2017 wurde sie zur Richterin an einem Berufungsgericht ernannt.
ALLISON RUSHING: Die Ernennung der 38-Jährigen zur Berufungsrichterin im vergangenen Jahr hatte eine Kontroverse ausgelöst. Der Verbund von Bürgerrechtler-Organisationen Leadership Conference on Civil & Human Rights kritisierte sie als „ideologische Extremistin“ - unter anderem weil sie für ihre Ablehnung gleichgeschlechtlicher Ehen bekannt sei.
Sie wurde nur mit den 53 Stimmen der Republikaner im Senat bestätigt. Zuvor arbeitete Rushing als Anwältin und vertrat für ihre Kanzlei unter anderem den Gründer des Darknet-Marktplatzs „Silk Road“, Ross Ulbricht, bei dessen erfolglosem Gang vors Oberste Gericht.
KATE COMERFORD TODD: Die 45-Jährige gehört aktuell zu den wichtigsten Juristen im Weißen Haus. Im Gegensatz zu den anderen Kandidatinnen war sie noch nie in einem Richteramt. Insofern gibt es auch keine Gerichtsurteile, die auf ihre Positionen schließen ließen. Sie war aber Gerichtsschreiberin für den konservativen Verfassungsrichter Clarence Thomas. Todd schloss die Cornell University und die Harvard Law School ab. Vor dem Weißen Haus arbeitete sie unter anderem als Anwältin für die US-Handelskammer.