Herr Botschafter, der Präsident der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, ist 22. August vor dem jüdischen Gemeindehaus von einem Unbekannten attackiert worden. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie solche Meldungen in Österreich hören?
Mordechai Rodgold: Wir waren sehr bewegt und besorgt, weil wir sehen, dass Österreich in der letzten Zeit sich sehr stark mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Wir waren sehr traurig über den Anschlag selbst, aber sind froh zu sehen, dass es nicht nur vom gesamten Spektrum der Politik verurteilt wurde, sondern der Täter auch sehr schnell gefasst wurde. Wir hoffen, dass er auch schnell eine entsprechende Strafe bekommen wird.
Graz war gleichzeitig in dieser Woche Ort für eine wichtige Auszeichnung.
Rodgold: Die Zeremonie, die wir am Dienstag in Graz organisiert haben, zur Ehrung von Margarete Hoffer als „Gerechte unter den Völkern“, war ein wichtiges und starkes Zeichen dafür, wer die wahren Helden ihrer Zeit sind. Der Mut dieser Dame, die während des Zweiten Weltkriegs unter dem Einsatz ihres eigenen Lebens Juden das Leben rettete, zeigt, wie wichtig die menschlichen Werte bis heute sind. Wir waren sehr froh, dass diese Zeremonie in der Synagoge von Graz mit Repräsentanten der Stadt und des Landes, mit dem Landeshauptmann persönlich und auch mit Vertretern der Bundesregierung ein solch starkes Zeichen setzten konnte. Ein Zeichen, dass wir gemeinsam gegen Antisemitismus kämpfen müssen. Aber das wir auch die positiven Werte in den Vordergrund stellen können.
Der gefasste Täter ist ein Syrer, der in Österreich um Asyl angesucht hat. Wie groß ist die Gefahr des importierten islamistischen Antisemitismus?
Rodgold: Antisemitismus ist eine Gefahr von extrem linker, von extrem rechter und auch von extrem islamistischer Seite. Natürlich haben nicht alle dieselbe Erziehung, denselben kulturellen Hintergrund gegenüber der Geschichte des Antisemitismus in Europa und der Shoa, des Holocaust. Bildung und Aufklärung sind bei diesem Thema wichtig. Wir sehen nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen europäischen Ländern und auch in Israel, dass der islamistische Antisemitismus einer der gefährlichsten ist, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.
Passiert dort in Österreich aus Ihrer Sicht in den Schulen genug?
Rodgold: Ich habe persönlich noch keine Schule besucht. Aber ich bin mir bewusst, dass es eine doppelte Herausforderung ist. Einerseits gilt es, dass Bewusstsein für das Schrecken der Vergangenheit und des Holocaust auszubilden und die Gefahren des Antisemitismus richtig zu erklären. Andererseits ist es auch wichtig, dass Jugendliche in Österreich das Positive an dem Anderen sehen, insbesondere an den Juden und am modernen Israel. Ich glaube, die Aufklärung, was Israel heute ist und was Judentum heute bedeutet, ist ein wichtiger Teil der Ausbildung. Es ist ein Mittel gegen die Ignoranz gegenüber diesen Themen und eine Möglichkeit, Antisemitismus zu verhindern. Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe für uns, Jugendliche aus beiden Ländern zusammenzubringen und damit die Vorurteile abzubauen. Sich kennenlernen, gemeinsam an Projekten zu arbeiten und einen langfristigen Austausch zu haben, das ist der Weg dazu.
Das passiert auch unter dem Eindruck neuer Beziehungen zwischen Israel und den Golfstaaten. Kann man darin einen neuen Frühling für die Region sehen?
Rodgold: Ich glaube schon. Das Paradigma hat sich verändert. Die meisten arabischen Staaten sehen Israel nicht mehr als Feind oder als Gegner, sondern erkennen es schon de facto als Partner an, um eine bessere Zukunft im Nahen Osten aufzubauen. Es gibt wird jetzt eine bessere Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain geben, in den Feldern Medizin, Forschung, Wassermanagement und neue Energien. Viele Staatenführer und die Bevölkerung in den Ländern sehen, dass Israel ein Teil dieser Region ist. Zusammen können wir vielmehr schaffen.
Wäre dieser Paradigmenwechsel auch ohne den Druck des amerikanischen Präsidenten Donald Trump möglich gewesen?
Rodgold: Die Unterstützung des amerikanischen Präsidenten und der Amerikaner insgesamt ist wichtig, um den verschiedenen Partnern auch das Gefühl zu geben, dass sie von der Internationalen Gemeinschaft unterstützt werden und dieses Abkommen in einem weiteren Rahmen zu sehen ist. Das ist auch das Schöne an dieser Änderung der Paradigmen. Wir hatten schon vorher Kontakt mit unseren Nachbarn, der nun offizialisiert wurde, aber es wird eben jetzt von den Amerikanern unterstützt. Dies ist vor allem wichtig gegenüber der größten Gefahr für den Frieden im Mittleren Osten und der Welt allgemein und das ist der Iran. Das iranische Regime ist der Troublemaker. Er unterstützt jetzt die Kriege in mehreren arabischen Staaten. Jeden Tag sterben leider Menschen im Jemen und in Syrien wegen der Gewalt, die vom iranischen Regime unterstützt wird. Das ist eine gemeinsame Herausforderung für Israel und die arabische Welt ebenso wie für die westliche Welt. Und hier ist die USA ein Schlüsselspieler.
Unterschätzt die Europäische Union die Gefahr, die vom Iran ausgeht?
Rodgold: Wir stehen auf derselben Seite und wir erwarten von Europa als Teil der westlichen Welt auch, dass man die weitreichende Gefahr klarer ausspricht. In Europa sieht man die Gefahr natürlich, aber wir haben nicht dieselbe Meinung, wie man dieser Gefahr begegnen muss. Wir sind klar dafür, dass das Regime im Iran ein klares Zeichen erhalten sollte, dass diese Gewalt nicht akzeptabel ist.