Knapp die Hälfte der rund 13.000 Bewohner des abgebrannten Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist inzwischen in dem eilig errichteten Übergangslager untergebracht worden. 6.000 Menschen hätten das Lager mittlerweile betreten, sagte ein Sprecher des griechischen Migrationsministeriums am Freitag. Deutschland möchte indes bis Monatsende 150 Minderjährige aus Moria übernehmen.
Nach den Bränden im Lager Moria in der vergangenen Woche schliefen tausende Flüchtlinge auf Lesbos am Straßenrand und auf Supermarktplätzen unter notdürftig errichteten Schutzdächern aus Zweigen oder in Campingzelten. Die griechischen Behörden begannen am Samstag mit UN-Unterstützung mit der Errichtung eines neuen Lagers. Dort sollen nach Behördenangaben auch die Asylverfahren für die Migranten wieder aufgenommen werden.
Ein Sonderkommando der griechischen Polizei, darunter 70 Frauen, versucht seit Donnerstag allen voran Familien zu überreden, ins Zeltlager zu gehen. Bisher laufe die Aktion gut, sagte ein Polizeioffizier im Rundfunksender Skai. Wenn diese Phase mit den Familien vollendet ist, soll die Bereitschaftspolizei auch die Migranten aufsuchen, die sich vehement weigern, ins Lager zu gehen. Mit Flugblättern wurden alle informiert, dass der einzige Weg aus Lesbos über ein Asylverfahren führe. Und das gebe es nur, wenn man ins Zeltlager geht.
Quarantäne-Zonen
Auf dem neuen Gelände wurden tausend Zelte errichtet, die jeweils Platz für acht bis zehn Menschen bieten. Medizinische Versorgungsstationen sollen noch hinzukommen, zudem sind zwei Quarantänezonen geplant. Alle Ankömmlinge werden nach Behördenangaben einem Corona-Test unterzogen. Bisher wurden 157 Migranten positiv auf das Coronavirus getestet.
Abgerissen
Viele Flüchtlinge weigerten sich aber, in das Camp zu gehen, weil sie fürchten, dort erneut monatelang festzusitzen und fordern stattdessen, von der Insel aufs Festland gebracht zu werden. Auch die Einwohner von Lesbos wehren sich gegen das neue Lager und fordern, dass die Flüchtlinge nach den jahrelangen, katastrophalen Zuständen im Lager Moria nun andernorts untergebracht werden müssten. Die Überreste von Moria wurden am Freitag von Baggern abgerissen, wie ein AFP-Reporter berichtete.
Deutschland hat sich bereits vergangene Woche als eines der erstern europäischen Länder bereit erklärt zumindest Kinder und Jugendliche aus Moria aufzunehmen. Am Freitag teile ein Sprecher des deutschen Innenministeriums mit, dass mit der Übernahme von bis zu 150 unbegleiteten Minderjährigen möglicherweise bis Monatsende begonnen werden kann.
Festnahmen
Griechische Medien hatten berichtet, unter den 400 Kindern und Jugendlichen seien auch zwei junge Afghanen, die inzwischen festgenommen worden seien. Sie und vier weitere Afghanen stünden im Verdacht, die Feuer in Moria gelegt zu haben. "Darüber habe ich keine konkrete Kenntnis", sagte der Sprecher des deutschen Innenministeriums. Er fügte hinzu: "Es dürfte sich von selbst verstehen, dass die griechischen Behörden zunächst einmal die Strafverfahren von Tatverdächtigen durchführen und nicht währenddessen schon eine Umverteilung erfolgen kann."
Auf die Frage, ob die deutsche Bundesregierung die Brandstiftung in einem Lager, in dem die Menschen unter elenden Bedingungen leben müssten wie in Moria als Hilferuf oder als Straftat bewerte, antwortete Regierungssprecher Steffen Seibert: "Brandstiftung in einem eng besiedelten Lager bringt Menschen in akute Lebensgefahr."
Deutschland und zehn weitere europäische Staaten - nicht aber Österreich - hatten sich nach der Brandkatastrophe vergangene Woche bereit erklärt, insgesamt 400 minderjährige Schutzsuchende aufzunehmen, die ohne ihre Eltern auf der griechischen Insel Lesbos gelebt hatten.
Nach Angaben des parlamentarischen Staatssekretärs Stephan Mayer (CSU) sind von den insgesamt rund 1000 Schutzsuchenden, die zu dieser Gruppe gehören, bisher 574 Personen in Deutschland angekommen. Nach dem Feuer hatte die deutsche Bundesregierung außerdem, ohne europäische Beteiligung, die Aufnahme von 408 Familien - 1553 Menschen - von fünf Ägäis-Inseln zugesagt.