Der Gegensatz könnte größer nicht sein: Maria Kolesnikowa machte das Herz zu ihrem Markenzeichen – wenn sie vor den Reihen schwer bewaffneter Spezialpolizei aufmarschierte, formte sie ihre Hände zum Symbol der Liebe. Mit äußerster Brutalität und Unmenschlichkeit geht nun das Regime Alexander Lukaschenkos gegen die weißrussische Oppositionspolitikerin vor: Am Montag wurde sie in Minsk entführt und unter Androhung von physischer Gewalt aufgefordert, das Land zu verlassen – „lebendig oder zerstückelt“, wie ihr mitgeteilt wurde. Doch die 38-Jährige ließ sich nicht vertreiben: Sie zerriss ihren Pass und vereitelte ihre Abschiebung. Jetzt sitzt sie in Minsk in Untersuchungshaft.
Morddrohung
Dass sie weiterhin nicht vorhat, sich einschüchtern zu lassen, stellte sie klar: In einer gestern veröffentlichten Stellungnahme teilte sie trocken mit, sie habe Strafanzeige gegen die Behörden wegen Morddrohung gestellt. Die Anzeige, die auch die Vorwürfe der Entführung sowie der Androhung einer Freiheitsstrafe von 25 Jahren beinhaltet, richtet sich gegen den Geheimdienst KGB und gegen die Sonderpolizei zur Bekämpfung organisierter Kriminalität. Kolesnikowa nennt auch die Namen der Beamten, die sie bedroht und ihr einen Sack über den Kopf gezogen haben. Sie würde diese in einer Gegenüberstellung auch wiedererkennen. In Minsk herrscht nun große Sorge um das weitere Schicksal der Inhaftierten.
"Mich stoppt das nicht"
Politik war lange nicht ihr Ziel. Kolesnikowa ist Profi-Flötistin und Dirigentin. Sie studierte in Minsk und an der Stuttgarter Musikhochschule und spricht fließend Deutsch. Nun stieg sie zur Frontfrau der oppositionellen Bewegung auf, nachdem ihre beiden Mitstreiterinnen, mit denen sie im Wahlkampf als Trio aufgetreten war, das Land auf Druck des Regimes verlassen haben. Dass ihr die Verhaftung droht, wusste sie. „Mich stoppt das nicht und macht mir keine Angst“, sagte sie erst kürzlich in einem Interview. „Denn ich weiß, dass die Prozesse, die in der weißrussischen Gesellschaft begonnen haben, unumkehrbar sind.“