Nach der mutmaßlichen Festnahme der weißrussischen Oppositionellen Maria Kolesnikowa hat der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die Behörden in Minsk aufgefordert, politische Gegner "unverzüglich freizulassen".
Kolesnikowa soll nach Angaben des von der Opposition gegründeten Koordinierungsrats am Montagmorgen zusammen mit einem Sprecher und einem Mitarbeiter "von Unbekannten im Zentrum von Minsk entführt" worden sein. Ihr Verschwinden sowie mehr als 630 Festnahmen bei erneuten Massenprotesten gegen Staatschef Alexander Lukaschenko am Wochenende riefen international Empörung hervor.
Seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 9. August demonstrieren die Menschen in Weißrussland gegen den seit 26 Jahren autoritär regierenden Lukaschenko. Sie werfen der Regierung massiven Betrug bei der Wahl vor, die Lukaschenko nach offiziellen Angaben mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen hatte. Dabei lassen sie sich auch von der Gewalt der Sicherheitskräfte nicht abschrecken.
Familie wandte sich an Polizei
Auch Stunden nach ihrem Verschwinden herrscht weiter Unklarheit über das Schicksal der Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa in Weißrussland (Belarus). Familienangehörige gaben eine Vermisstenanzeige bei der Polizei auf, wie das Team des Ex-Bankenchefs Viktor Babariko am Montagabend mitteilte.
Die 38-Jährige arbeitet für den inhaftierten Oppositionellen, der gegen den autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko kandidieren wollte. Seit Montagvormittag gab es nach Angaben der Opposition zunächst kein Lebenszeichen von ihr. Nach Einschätzung des Koordinierungsrates der Demokratiebewegung, dem sie angehört, ist Kolesnikowa zusammen mit ihrem Mitarbeiter Iwan Krawzow und ihrem Sprecher Anton Rodnenkow im Zentrum der Hauptstadt Minsk von Unbekannten entführt worden. Das Innenministerium teilte mit, es habe Kolesnikowa nicht festgenommen. Der Rat forderte die sofortige Freilassung.
Tichanowskaja im Europarat
Die weißrussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja nimmt am Dienstag (10.00 Uhr) per Videokonferenz an einer Sitzung des Europarats teil. Das Gremium für politische Angelegenheiten und Demokratie der Straßburger Länderorganisation will sich mit der Krise nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Weißrussland Anfang August befassen.
Tichanowskaja und andere Oppositionelle waren nach dem gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten außer Landes geflohen. Die 37-Jährige hält sich derzeit in Litauen auf. Dem Präsidenten von Weißrussland, Alexander Lukaschenko, werfen die Demonstranten unter anderem Wahlfälschung vor. Die Behörden gehen teilweise brutal gegen die Proteste vor. Tausende Menschen wurden in den vergangenen Wochen festgenommen, es gab einige Tote und hunderte Verletzte. Weißrussland ist als einziger europäischer Staat nicht Mitglied des Europarats. 1993 hatte sich das Land um den Beitritt beworben, 1997 wurde der Beitrittsprozess aber wieder auf Eis gelegt.