Nach einem Putsch im westafrikanischen Mali ist Präsident Ibrahim Boubacar Keïta zurückgetreten. Dies verkündete er am frühen Mittwochmorgen in einer live im Fernsehen ausgestrahlten Ansprache. "Ich habe mich entschieden, meinen Posten zu verlassen", sagte er - ausgestattet mit einer Maske zum Schutz vor Covid-19.
Mit dem Schritt wolle er ein "Blutvergießen" verhindern, sagte Keita in der Nacht auf Mittwoch im Staatsfernsehen. "Wenn bestimmte Elemente in unserer Armee der Ansicht sind, dass dies ihre Intervention beenden würde - welche Wahl habe ich dann?", sagte er. "Ich muss mich dem fügen, weil ich kein Blutvergießen will." Unklar war, ob Keita sich noch immer in der Gewalt der Putschisten auf dem Militärstützpunkt Kati befand. Auf demselben Stützpunkt hatte sich bereits 2012 der Putsch ereignet, durch den Keita selbst an die Macht gekommen war.
Baldige Neuwahlen
Die Anführer des Militärputsches in Mali versprachen, nach einer "politischen Übergangsphase" Neuwahlen abzuhalten. "Wir, die patriotischen Kräfte des Nationalen Komitees zum Wohl des Volkes, haben entschieden, unsere Verantwortung vor dem Volk und der Geschichte zu übernehmen", sagte Ismael Wagué, der stellvertretende Stabschef der Luftwaffe, im Staatsfernsehen.
Neuwahlen würden "in angemessener Zeit" stattfinden, sagte Wagué, der überdies versprach, dass bestehende internationale Verträge eingehalten würden. Am Dienstagmorgen hatten malische Soldaten laut Augenzeugen auf einem nahe der Hauptstadt Bamako gelegenen Militärstützpunkt Schüsse in die Luft abgefeuert. Anschließend fuhren sie im Konvoi nach Bamako, wo sie von einer jubelnden Menge empfangen wurden, wie ein AFP-Reporter berichtete. Stunden später wurden Keita und Regierungschef Boubou Cissé festgesetzt. In der Nacht verkündete Keita schließlich die Auflösung von Regierung und Parlament.
Massiver Druck auf Präsidenten
Keita stand zuletzt massiv unter Druck, weil es ihm nicht gelungen war, einen seit 2012 andauernden jihadistischen Aufstand im Norden des Landes unter Kontrolle zu bringen. Verschleppte politische Reformen, eine schwächelnde Wirtschaft und Korruptionsvorwürfe hatten die Stimmung gegenüber Keita weiter verschlechtert. Die Oppositionsbewegung M5-RFP forderte den Rücktritt des 75-jährigen Präsidenten und organisierte immer wieder Massenproteste gegen ihn.
Die internationale Gemeinschaft kritisierte die Meuterei, der deutsche Außenminister Heiko Maas und UNO-Generalsekretär António Guterres forderten die Freilassung.
Unter den Festgesetzten war auch Premierminister Boubou Cissé, wie Sidi Gakou, ein der Meuterei nahe stehender Offizier, der Deutschen Presse-Agentur sagte. Der Hintergrund der Meuterei war bisher unklar. Der Staat steckt seit Monaten in einer politischen Krise. Die Opposition im Lande fordert den Rücktritt von Präsident Keïta. Seine Popularität war angesichts von Vorwürfen rund um Korruption und Wahlmanipulationen stark gesunken. Zudem wird er dafür kritisiert, die Gefahr durch den islamistischen Terror nicht in den Griff zu bekommen. Jüngst ist es immer wieder zu großen, teilweise gewalttätigen Protesten gekommen.
In Bamako gab es der US-Botschaft zufolge am Vortag Berichte über Soldaten, die durch die Stadt fuhren und in die Luft schossen. Zudem gebe es Berichte über Demonstranten, die sich in der Stadt versammelten. Zuvor hatten mehrere westliche Botschaften vor Spannungen und Unruhen gewarnt und ihren Bürgern vor allem in Bamako geraten, Zuhause zu bleiben.
Harsche Kritik der Weltgemeinschaft
Die Meuterei stieß international auf harsche Kritik. UNO-Chef António Guterres äußerte sich "tief besorgt" über die Ereignisse in Mali: "Der Generalsekretär verurteilt die Maßnahmen nachdrücklich und fordert die sofortige Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung und Rechtsstaatlichkeit in Mali". Der westafrikanische Staatenverbund ECOWAS rief ebenfalls zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung auf. Die Militärs sollten unverzüglich in ihre Kasernen zurückkehren. Der Staatenverbund verurteile jeden nicht der Verfassung des Landes entsprechenden Regierungswechsel "aufs Schärfste".
Frankreich schloss sich den Aussagen von ECOWAS an, wie es in einer Mitteilung des Außenministeriums hieß. Staatschef Emmanuel Macron habe mit Malis Präsidenten Keïta, dessen nigrischem Amtskollegen Mahamadou Issoufou, dem Präsidenten von Cote d'Ivoire (Elfenbeinküste), Alassane Ouattara, sowie dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall telefoniert, teilte der Élyséepalast mit. Macron habe seinen Gesprächspartnern uneingeschränkte Unterstützung ausgesprochen. Die frühere Kolonialmacht Frankreich ist in Westafrika massiv im Einsatz gegen Islamistenmilizen vertreten, Mali ist ein Schwerpunkt.
Aufforderung zur Mäßigung
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte, der Putschversuch könne "in keiner Weise eine Antwort auf die tiefe gesellschaftspolitische Krise sein, die Mali seit mehreren Monaten getroffen hat". In Absprache mit ECOWAS, der Afrikanischen Union (AU) und den Vereinten Nationen fordere die EU einen Dialog. Auch der Kommissionschef der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, verurteilte die Festnahmen. Er rief zu ihrer sofortigen Freilassung auf. Zudem verurteilte er "jeden Versuch einer verfassungswidrigen Änderung".
Der deutsche Außenminister Maas erklärte: "Wir verurteilen entschieden den Versuch, in Mali eine verfassungswidrige Machtübernahme durch das Militär herbeizuführen. Die verfassungsmäßige Ordnung muss wiederhergestellt werden", zitierte das Auswärtige Amt in Berlin via Twitter Maas. Die Soldaten müssten in ihre Kasernen zurückkehren, die Festsetzung von Regierungsmitgliedern beendet werden. Alle Seiten seien aufgerufen, auf Gewalt zu verzichten. Die Ereignisse seien kein Beitrag für die Stabilität und gesellschaftliche Aussöhnung. In Mali - sowie anderen Ländern der Sahelzone - sind etliche islamistische Terrorgruppen aktiv, einige haben dem "Islamischen Staat" (IS) oder Al-Kaida die Treue geschworen. Bereits rund 250.000 Menschen wurden aufgrund anhaltender Angriffe allein in Mali vertrieben.
Bundesheer-Soldaten in Sicherheit
Angesichts der angespannten Lage im Gebiet um die malische Hauptstadt Bamako bleiben die dort im Rahmen der EU-Ausbildungs-und Beratungsmission EUTM Mali und der UNO-geführten Mission MINUSMA eingesetzten österreichischen Soldaten vorerst in ihren Stützpunkten. Das teilte ein Sprecher des Bundesheeres der APA am Dienstagabend auf Anfrage mit.
Insgesamt seien derzeit 15 österreichische Soldaten in dem westafrikanischen Land im Einsatz. Alle Soldaten seien in das Hauptquartier in Bamako zurückbeordert worden und in Sicherheit, so der Sprecher weiter. Bis die Lage geklärt sei, sollen die Bundesheer-Soldaten auch dort bleiben.