• Angesichts der Massenproteste nach der Präsidentenwahl in Weißrussland hat EU-Ratspräsident Charles Michel für Mittwoch (12.00 Uhr) einen EU-Videogipfel angesetzt.
  • Die Menschen in Weißrussland hätten das Recht, über ihre Zukunft zu entscheiden und ihre Führung frei zu wählen, schrieb Michel am Montag auf Twitter. Gewalt gegen die Demonstranten sei inakzeptabel.
  • Großbritannien hat indes erklärt, das amtliche Ergebnis der Abstimmung nicht anzuerkennen. Das Vereinigte Königreich "akzeptiert die Ergebnisse nicht", sagte Außenminister Dominic Raab am Montag. Raab sprach im Kurznachrichtendienst Twitter von "Betrug" und "schweren Mängeln". Raab kritisierte auch die Unterdrückung der friedlichen Proteste nach der Wahl. Er drohte, gemeinsam mit anderen Ländern Sanktionen zu beschließen. Er forderte eine unabhängige Untersuchung der Wahl durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). "Die Welt hat mit Entsetzen auf die Gewalt geschaut, mit der die belarussischen Behörden die friedlichen Proteste nach dieser gefälschten Präsidentschaftswahl unterdrückten", sagte Raab. Die Verantwortlichen für die Gewalt gegen friedliche Demonstranten müssten bestraft werden.

Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat einem Medienbericht zufolge Forderungen der Opposition und der EU nach einer Neuwahl zurückgewiesen, aber eine Bereitschaft für Zugeständnisse signalisiert. Es werde keine Neuwahl geben, wurde Lukaschenko am Montag von der Nachrichtenagentur Belta zitiert. Er sei bereit, die Macht zu teilen, allerdings nicht unter dem Druck von Protesten.

"Sie werden nicht erwarten, dass ich etwas unter Druck mache." Ähnlich hatte er sich bereits am Sonntag geäußert und Fälschungsvorwürfe bei der Präsidentenwahl vor gut einer Woche zurückgewiesen. Seit der Wahl kommt es landesweit zu Demonstrationen.

Es werde bereits an einer möglichen Verfassungsänderung gearbeitet, die eine Umverteilung der Macht vorsehe, sagte der Präsident am Montag bei einem Besuch des staatlichen Fahrzeugherstellers MZKT in Minsk der Staatsagentur Belta zufolge, ohne Details zu nennen. Der 65-Jährige regiert das Land seit 26 Jahren autoritär.

Bei der Wahl vor gut einer Woche hatte er sich zum Sieger mit großem Vorsprung erklärt. Die Opposition wirft ihm Wahlbetrug vor und reagierte mit Demonstrationen, gegen die Sicherheitskräfte teils brutal vorgingen. Am Sonntag hatten in der Hauptstadt Minsk nach Reuters-Schätzungen rund 200.000 Menschen gegen Lukaschenko protestiert.

Streiks im ganzen Land

Zu Wochenbeginn traten Arbeiter in vielen Staatsbetrieben in den Streik. Die Fabriken gelten in der Ex-Sowjetrepublik als elementar für das Funktionieren des Staates. Experten gehen davon aus, dass Lukaschenko über die Arbeitsniederlegungen nach 26 Jahren an der Macht am schnellsten zum Aufgeben gedrängt werden kann.

Die Staatsagentur Belta behauptete am Montag, dass die Werke im Land "im Großen und Ganzen funktionieren". Lukaschenko sagte: "Diejenigen, die arbeiten wollen, sollen arbeiten. Wenn nicht, dann werden wir sie auch nicht dazu zwingen." Wenn 150 oder sogar 200 Menschen streikten, dann habe das keinen Einfluss auf den Betrieb.

Lukaschenko flog am Vormittag mit einem Hubschrauber auf das Werksgelände. Während der Rede riefen ihm die Beschäftigten "Hau ab" entgegen, wie in Videos zu sehen war. Im Nachrichtenkanal Telegram gab es Aufnahmen von Versammlungen in Betrieben und Mitarbeiter, die ihre Fabriken verlassen hatten und auf der Straße demonstrierten.

Auch das Staatsfernsehen hatte am Montag Sendeprobleme, weil Mitarbeiter entweder streikten oder prominente Moderatoren gekündigt haben. Für den Abend war in der Hauptstadt Minsk eine neue Großkundgebung geplant. Bereits am Sonntag demonstrierten im Stadtzentrum Hunderttausende gegen Gewalt und Willkür unter Lukaschenko. Viele forderten auch seinen Rücktritt und Neuwahlen.

Tichanowskaja

Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja signalisierte indes ihre Bereitschaft zur Machtübernahme. Sie sei bereit, ihr Land zu führen, sagte sie am Montag in einer von Litauen aus verbreiteten Videoansprache. Zugleich sprach sie sich dafür aus, den rechtlichen Rahmen für eine neue und faire Wahl zu schaffen. An den Sicherheitsapparat ihres Heimatlandes appellierte sie, sich von der Regierung von Lukaschenko zu lösen und die Seiten zu wechseln. Ihr früheres Verhalten werde vergeben, wenn sie dies jetzt täten.

Präsidentschaftskandidatin Tichanowskaja war nach der Wahl am vorvergangenen Wochenende laut Angaben ihres Teams nach Drohungen der Behörden nach Litauen ausgereist. Ihr Mann ist als Oppositioneller schon länger in Weißrussland in Haft.

Briten zeigen klare Kante

Großbritannien erklärte unterdessen, das amtliche Ergebnis der Abstimmung nicht anzuerkennen. Das Vereinigte Königreich "akzeptiert die Ergebnisse nicht", sagte Außenminister Dominic Raab am Montag. Raab sprach auf Twitter von "Betrug" und "schweren Mängeln" und kritisierte auch die Unterdrückung der friedlichen Proteste nach der Wahl. Er drohte, gemeinsam mit anderen Ländern Sanktionen zu beschließen.

Das benachbarte Polen verfolgt die Situation an seiner Grenze zu Weißrussland aufmerksam. "Wir beobachten, was in Belarus geschieht - genau wie alle NATO-Länder, und wir werden uns auch ansehen, was an unseren Grenzen geschieht", sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Wojciech Skurkiewicz im Rundfunk. "Wir werden bei dieser Beobachtung nicht passiv sein."

Die weißrussische Armee plant, vom 17. bis 20. August in der Nähe eines Atomkraftwerks und in der an Polen und Litauen angrenzenden Region Grodno Übungen abzuhalten, wie die Nachrichtenagentur RIA am Sonntag unter Berufung auf das Verteidigungsministerium berichtet. Lukaschenko hatte zuvor gesagt, dass Luftstreitkräfte an die weißrussische Westgrenze verlegt würden.

Litauen warnte indes Russland vor einer "Invasion" im benachbarten Weißrussland - und als solches würde Litauen eine mögliche russische Militärhilfe für Weißrussland (Belarus) werten. Außenminister Linas Linkevicius sagte am Montag vor Journalisten in Vilnius, für einen solchen Schritt gebe es keine rechtliche Basis. "Es wäre eine Invasion in dem Land und würde die letzten Spuren seiner Unabhängigkeit zerstören." Russlands Präsident Wladimir Putin hat dem umstrittenen weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko Hilfen zugesagt auf Grundlage eines Vertrags zur gegenseitigen militärischen Unterstützung.