Die libanesische Regierung tritt nach der Explosionskatastrophe in Beirut vergangene Woche zurück. Das teilte Ministerpräsident Hassan Diab am Montagabend mit. Er erklärte ferner, man stehe geeint mit dem Volk im Ruf nach Gerechtigkeit für "dieses Verbrechen". Nach der verheerenden Explosion in Beirut waren Forderungen nach einem Rücktritt lauter geworden. Mehrere Minister haben bereits ihre Hüte genommen, darunter Justizministerin Marie-Claude Najm und Finanzminister Ghasi Wasni.
Wegen vieler unterschiedlicher Interessen haben Regierungsbildungen im Libanon in der Vergangenheit häufiger lange gedauert. Die Macht in dem kleinen Land am Mittelmeer ist nach einem Proporzsystem unter den Konfessionen aufgeteilt. Der Premier muss immer ein Sunnit sein, der Staatschef ein Christ und der Parlamentspräsident ein Schiit. Die nächste Abstimmung über das Parlament steht im Libanon eigentlich erst 2022 an.
Gewalttätige Proteste und reihenweise Rücktritte
Am Wochenende war es zu gewalttätigen Protesten gekommen, bei denen der Regierung unter anderem Korruption und Misswirtschaft vorgeworfen wurden. Durch die Explosionskatastrophe am vergangenen Dienstag wurden mindestens 160 Menschen getötet und tausende weitere verletzt. 300.000 Menschen wurden durch das Unglück obdachlos. Nach Regierungsangaben waren 2750 Tonnen Ammoniumnitrat explodiert, das jahrelang ungesichert gelagert worden war. Die genauen Ursachen der Explosionen sind noch unklar.
Justizministerin Najm begründete ihren Rücktritt mit der verheerenden Explosion und den Demonstrationen, wie MTV weiter berichtete. Am Sonntag hatten bereits Informationsministerin Manal Abdel Samad und Umweltminister Damianos Kattar ihre Ämter niedergelegt. Najm war in der vergangenen Woche bei einem Besuch am Ort der Katastrophe von aufgebrachten Menschen beschimpft und mit Wasser bespritzt worden, wie auf einem Video zu sehen war.
Eine Trauer- und Protestkundgebung im Zentrum Beiruts war am Wochenende in Gewalt und Chaos umgeschlagen. Aufgebrachte Demonstranten wollten Absperrungen zum Parlament durchbrechen, Sicherheitskräfte setzen Tränengas ein. Über Stunden kam es zu Zusammenstößen. Ein Polizist wurde nach offiziellen Angaben getötet, mehr als 200 Menschen erlitten Verletzungen. Aufgebrachte Demonstranten stürmten mehrere Ministerien.
Erst ein halbes Jahr im Amt
Diab hatte erst im Jänner nach einer monatelangen Hängepartie das Amt des Regierungschefs in dem Land am Mittelmeer übernommen. Er folgte auf Saad al-Hariri, der nach Massenprotesten Ende Oktober zurückgetreten war. Diabs Regierung wird unter anderem von der Iran-treuen Hisbollah unterstützt, die im Libanon extrem mächtig ist. Wegen einer schweren Wirtschaftskrise und der Corona-Pandemie sind in seiner Amtszeit große Teile der libanesischen Bevölkerung in die Armut abgerutscht.
Diab hatte am Wochenende zunächst angekündigt, dem Kabinett in seiner Sitzung an diesem Montag eine vorgezogene Neuwahl vorzuschlagen. Damit wollte er die Lage beruhigen. Die nächste Abstimmung über das Parlament stünde im Libanon eigentlich erst 2022 an. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass auch eine vorgezogene Neuwahl des Parlaments die Lage nicht beruhigen kann. Die Demonstranten verlangten bei den Protesten weitgehende politische Reformen.
Entsprechende Forderungen sind auch aus dem Ausland zu hören. So will der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Libanon mit einem Rettungspaket helfen, verlangt dafür aber eine politische Einigung auf umfassende Reformen. Die Finanzorganisation sei bereit, ihre Bemühungen zu verdoppeln, sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa.