China will die USA als Weltmacht ablösen. Wird das Peking gelingen?
HANNES ANDROSCH: China hat in den vergangenen 40 Jahren einen beispiellosen Wiederaufstieg genommen. Das Land will mit aller Kraft verhindern, noch einmal so etwas wie Opiumkriege, ungleiche Verträge, ein demütigendes Jahrhundert und halbkoloniale Zustände erleben zu müssen. Das muss man verstehen. Es kann aber nicht bedeuten, alles zu akzeptieren, was China an eigenmächtigen, weltmachtorientierten Handlungen setzt. Natürlich gilt das auch für die USA.

Wie real ist in der sich zuspitzenden Auseinandersetzung zwischen Washington und Peking die Gefahr eines Krieges?
Ich gehe davon aus, dass keiner der zwei immer feindseligeren Rivalen einen Krieg will. Aber das war auch vor dem Ersten Weltkrieg so. Aus Furcht vor der wachsenden Macht des anderen, taumeln Staaten wie Schlafwandler in die Katastrophe. In Anlehnung an den Peloponnesischen Krieg nennt man das die Thukydides-Falle.

Wie soll der Westen denn Chinas Dominanzstreben begegnen?
Den Westen, wie wir ihn kannten, die atlantische Gemeinschaft, gibt es als Folge des Verhaltens von US-Präsident Donald Trump in der Form leider nicht mehr. Obwohl das heutzutage dringend nötig wäre. Man muss China jedenfalls auf Augenhöhe begegnen, darf gleichzeitig aber nicht seine einseitigen Übermachtsgelüste akzeptieren. Angesichts von globalen Herausforderungen wie Pandemien und Klimawandel braucht es statt kriegerischer Auseinandersetzung ein Mindestmaß an Spielregeln, Zusammenarbeit und Koexistenz.

Droht Europa in dieser Auseinandersetzung unter die Räder zu kommen?
Die Gefahr besteht, wenn Europa nicht als Einheit auftritt. Jeder einzelne Teil ginge für sich allein unter. Also geht es darum, Europa zu stärken, damit es in dieser feindseligen Rivalität eine selbstständige wirksame Rolle finden kann.