Australiens berühmtester Flüchtling ist frei. Nicht Australien hat ihm diese Freiheit gewährt, für die Behrouz Boochani so lange gekämpft hat, sondern der Nachbarstaat Neuseeland. Sein Asylantrag wurde angenommen – er darf ab sofort in Neuseeland leben und arbeiten.
Laut lokaler Medienberichte erhielt Boochani die gute Nachricht fast genau sieben Jahre, nachdem er von der australischen Marine festgenommen, auf die Weihnachtsinsel und später nach Papua-Neuguinea geflogen worden war. Dort hatte der kurdisch-iranische Journalist sechs Jahre in einem der berüchtigten Flüchtlingslager verbracht, das Australien auf der Insel Manus betrieb.
Mehrfach ausgezeichnet
Dass nicht Australien sondern Neuseeland Boochani nun Asyl gewährt, ist insofern bizarr, da der Flüchtling in Australien höchstes Ansehen genießt. Für sein autobiografisches Buch „No Friend but the Mountains“ („Kein Freund außer den Bergen“) hat der Journalist gleich mehrere angesehene Literaturpreise verliehen bekommen, darunter den mit 125.000 australischen Dollar – umgerechnet rund 76.000 Euro – dotierten Victorian Prize for Literature.
Seit September 2019 ist der Iraner zudem außerordentlicher Professor an der Fakultät für Kunst- und Sozialwissenschaften der Universität von New South Wales in Sydney. Obwohl er bisher nie physisch nach Australien reisen und somit keinen Lehrstuhl innehaben konnte, nimmt der Menschenrechtsaktivist mit Hilfe des Internets an Veranstaltungen und Vorträgen des Forced Migration Research Network teil.
Sechs Jahre in Lagern verbracht
Boochani war 2013 zusammen mit 60 anderen Asylsuchenden in einem Boot auf dem Indischen Ozean aufgegriffen und in ein australisches Flüchtlingslager, zuerst auf der Weihnachtsinsel und später in eines auf der Insel Manus geschickt worden. Er floh aus seinem Heimatland aus Angst, wegen seines journalistischen Engagements und seiner Dokumentarfilmerei verhaftet zu werden.
Sechs Jahre verbrachte er in Lagern und dokumentierte von dort aus die psychischen und physischen Leiden der Menschen, die die australische Regierung dort festhielt. Denn seit Juli 2013 sind Bootsflüchtlinge in Australien unerwünscht. Seitdem wurde jeder, der die Überfahrt von Indonesien per Boot wagte, nach Manus oder auf die Pazifikinsel Nauru abgeschoben. Lange Zeit waren auch über tausend Kinder in diesen abgeschotteten, oft trostlosen Lagern weggesperrt. Über soziale Medien machte Boochani jahrelang auf die Menschenrechtsverletzungen in den Lagern aufmerksam. Er schrieb für den Guardian, die Financial Times, den Sydney Morning Herald und die Huffington Post über seine Situation und die der anderen Flüchtlinge. Sein Buch übermittelte er per Textnachrichten an einen Übersetzer in Sydney.
Frei nach langem Warten
2017 wurde schließlich – nach viel internationaler Kritik – eine Lösung für die Flüchtlinge erdacht: So wurde ein Teil der Asylsuchenden in die USA geschickt. Andere jedoch – darunter Boochani – saßen nach wie vor auf Inseln im Pazifik fest. Boochani verhielt sich trotz seiner aussichtslos erscheinenden Situation stoisch: Regelmäßig prangerte er die Menschenrechtsverletzungen an, die in den vergangenen Jahren die Asylpolitik Australiens prägten, nahm virtuell an Foren, Konferenzen, Workshops und Festivals teil.
Im November letzten Jahres erhielt er dann ein einmonatiges Visum für ein Literaturfestival in Christchurch. Er reiste in den Pazifikstaat und beantragte kurz darauf Asyl, das nun genehmigt wurde. Nach sieben langen Jahren ist Boochani damit zum ersten Mal wieder frei.
unserer Korrespondentin Barbara Barkhausen