Ein entscheidender Tag steht heute auch in Russland an: Mitten in der Corona-Krise hat die letzte Phase für die Abstimmung über die umstrittene Verfassungsreform begonnen, mit denen sich Präsident Putin einschneidende Veränderungen absegnen lässt. Im Osten des Landes gebe es am Haupttag eine rege Wahlbeteiligung, meldete die Agentur TASS am Mittwoch in der Früh unter Berufung auf die regionalen Wahlkommissionen. Mit dem neuen Grundgesetz kann Putin bei einer Wiederwahl dauerhaft an der Macht bleiben. Russland liegt trotz leicht verbesserter Entwicklung weltweit auf Platz in Bezug auf die Corona-Infektionen.
Doppelt abgestimmt?
Erste Ergebnisse werden nach Schließung der Wahllokale in der Ostsee-Exklave Kaliningrad um 20.00 Uhr MESZ erwartet. Das flächenmäßig größte Land der Erde hat elf Zeitzonen. Wahlbeobachter und nicht-staatliche Medien sprachen bereits von Hunderten Verstößen wie doppelten Stimmabgaben oder Stimmabgaben im Kofferraum. "Einige Bürger Russlands sollen bereits mehrfach abgestimmt haben. Sie nutzten wohl Schlupflöcher im Online-Wahlverfahren. Das hat bei den Organisatoren für eine scharfe Reaktion gesorgt: Rechtlich ist das natürlich ein Gesetzesverstoß und politisch? Das könnte dann als Versuch interpretiert werden, das Wahlverfahren und seine Ergebnisse als Ganzes zu diskreditieren. Die Leiterin der Wahlkommission, Ella Pamfilowa, wie die Berichte zurück.
Mindestlohn und Pensionsanpassung
Die Änderungen des Grundgesetzes sind vielfältig und reichen von der Festschreibung der Ehe zwischen und Mann und Frau, einem Gottesbezug in der Präambel bis hin zur Verankerung eines Mindestlohns und einer Index-Anpassung der Pensionen.
"Untergegangen"
Im Vorfeld wurden alle diese Punkte reichlich beworben und besprochen – doch der wichtigste Punkt der geplanten Änderungen taucht nur am Rande auf: Mit Eintritt der Verfassungsänderung wird Präsident Putin, nach 20 Jahren an der Macht, eine weitere Verlängerung seiner Amtszeit ermöglicht. Wie das geht? In einer herzergreifenden Szene im Parlament hatte Valentina Tereschkowa, 83 und als erste Frau im Weltall eine Heldin der Sowjetunion, im März die Abgeordneten gebeten, sie mögen doch Putins bisherige Amtszeiten als Präsident – insgesamt vier – einfach streichen. Damit hat er die Möglichkeit, noch 16 Jahre bis 2036 an der Macht zu bleiben. Nach aktuell gültiger Verfassung müsste er sich in vier Jahren zurückziehen. Die Opposition wirft dem Präsidenten einen „Verfassungsumsturz“ vor.
Um wegen der Corona-Pandemie die Ansteckungsgefahr in Wahllokalen zu minimieren, wurde das zunächst verschobene Referendum über sechs Tage gestreckt. Die Bürger konnten bereits auch online abstimmen.
Autokratie
Festgezurrt wird mit der Abstimmung auch der Vorrang russischer Gesetze vor internationalem Recht. Was das genau bedeutet, ist offen. Zu erwarten ist, dass Moskau beispielsweise die Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) nicht mehr anerkennen wird und das Völkerrecht nur noch so umsetzt, wie es ihm gefällt. An der Oberfläche wird sich Putin mit der neuen Verfassung damit an russisches Recht halten. In der Realität wird die Autokratie einzementiert.