Deutschland hat am Mittwoch bis zum Jahresende die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union und gleichzeitig den Vorsitz im UNO-Sicherheitsrat übernommen. Topthema des EU-Vorsitzes wird die Überwindung der Corona-Pandemie und ihren schweren wirtschaftlichen Folgen. Konkret geht es um die Einigung auf einen Wiederaufbauplan. Deutschland gibt am 1. Jänner dann an Portugal ab.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte vor dem Bundestag in Berlin an, sie wolle während der Ratspräsidentschaft den EU-Gremien "eng zur Seite stehen", um rasch einen Durchbruch zu erzielen. Die Positionen lägen hier noch "weit auseinander", sagte sie. Das Vorsitzland leitet die Sitzungen der Ministerräte, die für die Gesetzgebung zuständig sind. Auch Vermittlungsverfahren mit dem Europaparlament laufen im nächsten Halbjahr unter deutscher Führung.
Für EU-Budgetkommissar Johannes Hahn besteht "kein Zweifel" darin, dass Deutschland "einen großartigen Beitrag zur Europäischen Integration leisten wird", wie er in einem Tweet mitteilte. Er freue sich darauf, "gemeinsam an Europas Erholung" zu arbeiten. Die EU-Kommission hält ein auf 1,1 Billionen Euro aufgestocktes EU-Budget für 2021 bis 2027 sowie einen 750 Mrd. Euro schweren Aufbaufonds zur Bewältigung der Coronakrise für notwendig.
Gesundheitssysteme neu aufstellen
"Wir stehen #Deutschland in den kommenden Monaten natürlich zur Seite, wenn es um darum geht, Europa zu stärken, die Zukunft Europas zu gestalten & Europa wettbewerbsfähiger zu machen", teilte auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit. Österreich wolle bei der Bewältigung der "finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie", die alle Staaten betreffen, helfen, "aber eine permanente Schuldenunion verhindern".
Die Mittel aus dem "Next Generation EU" genannten Ausbaufonds sollen laut den Plänen der EU-Kommission ausschließlich in den Wiederaufbau fließen und die Gesundheitssysteme stützen. Alte Schulden der EU-Mitglieder werden demnach damit nicht bedient. Gegen den Vorschlag stemmen sich die sogenannten "Sparsamen Vier" EU-Länder Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark. Sie treten gegen eine Vergabe der Gelder als nicht-rückzahlbare Zuschüsse ein.
Weitere wichtige Themen der deutschen Ratspräsidentschaft mit dem Motto "Gemeinsam. Europa wieder stark machen" sind der geplante Handelspakt mit Großbritannien nach dem Brexit sowie die Themen Klimaschutz, Digitalisierung und Migration. Auch eine Konferenz zur Zukunft Europas soll auf den Weg gebracht werden.
Handelsabkommen mit Großbritannien
Die Europäische Union muss sich nach Einschätzung der deutschen Kanzlerin Merkel auf ein Scheitern der Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit Großbritannien vorbereiten. "Wir sollten vorsorgen für den Fall, dass das Abkommen doch nicht zustande kommt", sagte Merkel.
Zwar werde sie sich während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft weiter "für eine gute Lösung stark machen", so die Kanzlerin. Aber die Fortschritte in den Verhandlungen seien bisher, "um es zurückhaltend zu formulieren, sehr übersichtlich". Wenn es bis Jahresende kein Abkommen gibt, gehen im beiderseitigen Handel die Zollschranken herunter - für die durch die Corona-Krise ohnehin gebeutelte Wirtschaft eine weitere Belastung.