Seit Wochenfeilt die EU-Kommission an einem riesigen Konjunkturpaket gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise. Am heutigen Mittwoch will Kommissionschefin Ursula von der Leyen liefern. Es ist eine schwierige Gratwanderung, die noch zu erheblichen Diskussionen führen wird. Denn in der EU sind Art und Finanzierung der Coronahilfen hoch umstritten. Ein Überblick:
- Warum ist das Konjunkturprogramm nötig?
Die Kommission geht wegen der Coronakrise von einem Einbruch der EU-Wirtschaftsleistung um 7,4 Prozent im laufenden Jahr aus. Dies ist die tiefste Rezession in der Geschichte der EU. Anders als Deutschland oder Österreich haben viele Mitgliedstaaten nur wenig Spielräume in ihren Haushalten, um mit nationalen Konjunkturprogrammen gegenzusteuern. Aus Sicht Brüssels droht deshalb ein wirtschaftliches Auseinanderdriften der EU-Länder, das die Union insgesamt in eine Schieflage bringen könnte. - Was plant die EU-Kommission?
Am heutigen Mittwoch will die Kommission ihren Vorschlag für ein breit angelegtes "Wiederaufbauinstrument" vorstellen. Beim Umfang hielt sich die Kommission zuletzt bedeckt, nachdem sie zunächst von einer Billion Euro gesprochen hatte. Mit dem Geld will von der Leyen für einige Jahre die EU-Länder mit "dem größten Bedarf" unterstützen. Vorgesehen sind eine Mischung aus Zuschüssen, die nicht zurückgezahlt werden müssen, und Krediten, die insbesondere private Investitionen ankurbeln sollen. - Ist der deutsch-französische Vorschlag Basis für von der Leyens Pläne?
Die Kommission hat den Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Präsident Emmanuel Macron begrüßt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bezeichnete ihn am Montag aber als "nicht ausreichend". Der Plan sieht vor, in den kommenden Jahren 500 Milliarden Euro als Zuschüsse über den EU-Haushalt für die "am stärksten getroffenen Sektoren und Regionen" bereitzustellen. Die EU-Kommission soll dazu die Erlaubnis erhalten, "im Namen der EU" Schulden an den Finanzmärkten aufzunehmen. - Was wollen die "sparsamen Vier"?
Die Nettozahler Österreich, Dänemark, Niederlande und Schweden lehnen den deutsch-französischen Plan und "jegliche Vergemeinschaftung von Schulden" ab. Statt Zuschüsse wollen sie befristet auf zwei Jahre nur Kredite vergeben. Sie müssten also zurückgezahlt werden und würden die Verschuldung von ohnehin bereits finanziell klammen Ländern wie Italien weiter erhöhen. Zudem wollen die "sparsamen Vier" die Zahlungen an "ein starkes Bekenntnis zu Reformen" und Haushaltsvorgaben knüpfen. Eine Summe nennen sie nicht. - Wie positionieren sich andere EU-Länder?
Die besonders schwer von der Coronakrise getroffenen EU-Staaten Italien und Spanien, aber auch Portugal oder Luxemburg, haben den deutsch-französischen Vorschlag begrüßt. Osteuropäische Länder wie Polen sind zurückhaltend. Sie fürchten generell, dass wegen der Coronakrise Mittel aus dem EU-Haushalt nach Süden umgeleitet werden und sie in den kommenden Jahren deutlich weniger Geld bekommen. - Wie schwierig wird eine Einigung?
Der Wiederaufbaufonds ist eng mit dem gleichfalls hoch umstrittenen EU-Mehrjahreshaushalt für die Zeit von 2021 bis 2027 verknüpft, der nochmals rund eine Billion Euro schwer ist. Beide müssen einstimmig durch die 27 Mitgliedstaaten verabschiedet werden. Ein EU-Diplomat sagte "sehr schwierige Gespräche" voraus, die sich bis mindestens Juli hinziehen dürften. Einige Experten erwarten nicht vor September eine Einigung - womit das Thema die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr dominieren würde. - Und was ist mit dem EU-Parlament?
Auch das Europaparlament muss grünes Licht geben. Auch hier werden schwierige Gespräche erwartet. Es hat ein Corona-Rettungspaket von sogar bis zu zwei Billionen Euro gefordert und will Hilfen hauptsächlich als nicht rückzahlbare Zuschüsse gewähren.