Es gibt viel Hass dort draußen, und er weiß, wie er ihn ausschlachten kann.“ Auf den ersten Blick ist man versucht, dieses Zitat auf US-Präsident Donald Trump und seine Politik der Spaltung zu beziehen. Doch gemeint ist Charles Lindbergh, und der Satz ist fiktiv. Er stammt aus der HBO-Serie „Verschwörung gegen Amerika“, einer Verfilmung des gleichnamigen Romans von Philip Roth, die in den USA gerade für Diskussionen sorgt.

Sie erzählt eine alternative Geschichte, in der der Volksheld und Pilot Charles Lindbergh sich gegen Franklin D. Roosevelt in den Präsidentschaftswahlen von 1940 durchsetzt, und mit einer Politik der Polarisierung „echte Amerikaner“ des Kernlandes gegen die Bewohner der Städte, allen voran jüdische Bürger, aufhetzt.

Der Vergleich Trumps mit Lindbergh hinkt natürlich. Doch wie geht man als moderater Ex-Präsident damit um, wenn der Nachfolger alle politischen Normen bricht?

Gegen alle bisherigen Gepflogenheiten

Indem er am Wochenende den Umgang von Trumps Regierung mit der Coronakrise öffentlich scharf attackierte, hat Barack Obama sich dafür entschieden, selber mit einer wichtigen Regel der amerikanischen Politik zu brechen. Um die Würde des Amtes nicht auszuhöhlen, kritisieren ehemalige US-Präsidenten normalerweise ihre Amtsnachfolger nie in der Öffentlichkeit. „Diese Pandemie hat vor allem unsere Überzeugung zunichtegemacht, dass die Leute, die in der Verantwortung stehen, wissen, was sie tun“, sagte Obama in einer Video-Botschaft für eine Uni-Abschlussfeier. „Viele von ihnen tun nicht einmal so, als hätten sie die Verantwortung.“ Damit war Trump gemeint.

Trump wittert eine Verschwörung

Davor waren vertrauliche Äußerungen Obamas an die Öffentlichkeit gespielt worden, in denen er Trumps Coronavirus-Krisenmanagement eine „absolut chaotische Katastrophe“ nannte. Trump antwortete in beiden Fällen prompt auf Twitter mit den Tweets „Obamagate“, womit er ein angebliches Komplott von Teilen der Bundespolizei (FBI) und Obama meinte. Gefolgsleute von diesem hätten unrechtmäßig den Kurzzeit-Sicherheitsberater Michael Flynn ins Visier der Justiz genommen mit der Absicht, seine Präsidentschaft zu Fall zu bringen. Trump bezeichnete dies als „das größte politische Verbrechen in der Geschichte des Landes“. Mitte des Monats empfahl das von Trump-Loyalisten geleitete US-Justizministerium die Einstellung des Verfahrens gegen Flynn. Trump versucht so, von seinem schwachen Krisenmanagement abzulenken. Obama verurteilte das Manöver unter Vertrauten und sieht „unser grundlegendes Verständnis des Rechtsstaates in Gefahr“.

Der eigentliche Hintergrund der Konfrontation zwischen Trump und Obama ist jedoch, dass Letzterer sich öffentlich für Joe Biden, den De-facto-Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, ausgesprochen hat. Biden hat in den letzten Monaten in lokalen und nationalen Umfragen zugelegt und liegt in wichtigen „Swing States“ wie Michigan, Wisconsin und Pennsylvania vor Trump. Das beunruhigt das Weiße Haus.

Konservative Medien und Familienangehörige Trumps attackierten Obamas Vizepräsidenten diesen Monat noch stärker als sonst als korrupt und senil, und suggerierten, dass die Pandemie von den Demokraten instrumentalisiert würde, ja dass diese mit ihrer „Lockdown“-Politik die Wirtschaft in die Rezession führten und größere Wahlkampfveranstaltungen verböten: Beides sind die inhaltlichen und organisatorischen Eckpfeiler der Wiederwahlstrategie Trumps.

Seine Fans halten Trump die Treue

Trumps Umfragewerte unter Republikanern bleiben gleichwohl nach wie vor stabil und sind seit Beginn der Krise fast unverändert. Egal, was der Präsident macht, seine Fans halten ihm die Treue. Der Ausgang der Wahl im November ist offen. Wie kein anderer Wahlkampf in der jüngeren US-Geschichte fördert er jedoch schon jetzt die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft.

Die Coronakrise und die mit ihr wuchernden Verschwörungstheorien vertiefen die Risse. Antisemitische Attacken haben in den letzten Monaten stetig zugenommen und auch verbale Angriffe auf Journalisten, von Donald Trump als „Volksfeinde“ bezeichnet, häufen sich.

All das und der Umstand, dass Barack Obama nun entgegen allen Gepflogenheiten mit seinem Nachfolger so hart ins Gericht geht, ist ein weiteres Indiz für die gefährliche Polarisierung und Zersetzung von Amerikas politischem System.

Mehr zum Thema