Auf allen Ebenen bemüht sich derzeit die Bundesregierung um eine Grenzöffnung. Mitte Juni sollten, sofern nicht eine zweite Welle das Vorhaben zunichtemacht, die Grenzbalken wieder aufgehen. Bundeskanzler Sebastian Kurz telefonierte dieser Tage mit Angela Merkel, heute trifft er den Ministerpräsidenten von Liechtenstein und den Innenminister der Schweiz. Auch Außenminister Schallenberg, Innenminister Nehammer, Europaministerin Edtstadtler verhandeln rund um die Uhr.

Was sonderbar erscheint: Verhandelt wird mit Deutschland, der Schweiz, Tschechien, der Slowakei. Dass eine Grenzöffnung zu Italien angesichts der hohen Infektions- und Todeszahlen Zukunftsmusik ist, liegt auf der Hand. Warum nicht mit Ungarn, Slowenien verhandelt wird? Die Infektionszahlen können nicht nach Argument sein. Von unseren Nachbarn hatten Italien (39,900), Deutschland (7780), die Schweiz (1870) die meisten Toten zu beklagen, am wenigsten die Slowakei (27), gefolgt von Slowenien (103), Tschechien (284) und Ungarn (430). Die beiden beliebten Urlaubsdestinationen Kroatien (94) und Griechenland (130) rangieren im europäischen Vergleich unter ferner liefen.

Hinter vorgehaltener Hand wird nicht abgestritten, dass protektionistische Motive mitspielen. Nicht nur die Deutschen, auch die Österreicher sollten ihren Urlaub in Österreich verbringen und so den Tourismus ankurbeln – statt in den Süden ans Meer zu fahren.

Deutschland, Schweiz: Öffnung ab 15. Juni
Grenzlockerungen schon ab Samstag.

Die Kontrollen an den Grenzen Deutschlands werden ab Samstag schrittweise gelockert. Das gilt zunächst an den Grenzen zu Österreich, Frankreich und der Schweiz, sagte Innenminister Horst Seehofer in Berlin. Ab 15. Juni sollten sie dort ganz wegfallen, wenn das Infektionsgeschehen dies zulässt. Die deutsche Regierung verfolge das Ziel, ab Mitte Juni wieder zu einem „freien Reiseverkehr in Europa“ zurückzukehren. An den Grenzen zu Frankreich, Österreich und der Schweiz sollten ab Samstag wieder alle Übergänge geöffnet werden, sagte Seehofer weiters. Zudem solle ab Samstag an allen deutschen Grenzen nur noch stichprobenartig kontrolliert werden. Es werde eine „deutliche Lockerung und Vereinfachung“ geben, sagte Seehofer. Die komplette Öffnung setze aber voraus, „dass wir weiterhin energisch in der Bekämpfung des Infektionsgeschehens bleiben“. Dafür soll es auch über den 15. Mai hinaus keine Einreisen aus Spanien und Italien geben. Auch die Schweizer Grenze zu Österreich und Deutschland ist ab dem 15. Juni wieder geöffnet.

Italien: Großes Fragezeichen
Wie es in Italien weitergeht, weiß niemand.

Italiens Premier Giuseppe Conte macht seinen Landsleuten Hoffnung auf einen Sommerurlaub am Strand: „Diesen Sommer werden wir nicht auf dem Balkon verbringen“, sagte Conte dem „Corriere della Sera“. Ob Touristen aus dem Ausland kommen dürfen, sagte er nicht. Derzeit dürfen Italiener nur aus triftigen Gründen von einer Region in die andere fahren. Conte erklärte, es sei noch nicht klar, wann man in Italien wieder reisen könne. Bezüglich der Grenze zu Italien sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Mittwoch beim Pressefoyer, dass es angesichts der weiterhin sehr hohen Ansteckungszahlen „hier keine Perspektive auf baldige Grenzöffnungen“ gebe. „Ich sehe die Basis dafür derzeit nicht gegeben.“ Auch einen möglichen Zeithorizont konnte er nicht nennen: „Wir sind alle keine Wahrsager.“ Für ganz Italien gilt laut österreichischem Außenministerium die Sicherheitsstufe 6 (Reisewarnung). „Vor Reisen nach Italien wird aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus gewarnt. Das gilt auch für Südtirol, Vatikan und San Marino“, ist auf der Homepage vermerkt.

Venedig
Venedig © AFP

Ungarn, Tschechien, Slowakei: Kleinere Übergänge
Vorgehen wie mit Deutschland geplant

Mit Österreichs osteuropäischen Nachbarländern soll ein ähnliches Vorgehen wie mit Deutschland vereinbart werden, sofern die Corona-Infektionen „auch dort unter Kontrolle bleiben“, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die Slowakei hat Grenzkontrollen mit EU-Nachbarländern wie Österreich bis zum 27. Mai verlängert. Mit Ausnahme von Pendlern und Pflegerinnen müssen alle Rückkehrer aus dem Ausland weiterhin für 14 Tage in staatliche Quarantäne. In Tschechien gilt derzeit bis 17. Mai der Notstand, kleinere Grenzübergänge zu Österreich wie Gmünd/Cesce Velenice sind 24 Stunden am Tag offen. Im Burgenland sind seit gestern zwei weitere Grenzübergänge zu Ungarn offen: In Andau kann die Grenze zwischen 5 und 21 Uhr passiert werden, in Neumarkt an der Raab (Jennersdorf) zwischen 7 und 19 Uhr. Damit solle Pendlern der Weg in die Arbeit erleichtert werden, betonte Ungarns Außenminister Peter Szijjarto.

Prag
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Slowenien, Kroatien: Auf Lösungssuche
Kleinere Grenzen wieder offen.

Kroatien sucht weiterhin nach Lösungen, um die diesjährige Tourismussaison zu retten. Zusätzlich zum Reiseprotokoll auf EU-Ebene werden laut Tourismusminister Gari Cappelli bilaterale Vereinbarungen angestrebt. Dazu gebe es bereits Gespräche mit Ländern wie Österreich. Kroatien möchte die Grenze zu Slowenien bis Ende Mai öffnen. Indes sind mehrere Grenzübergänge zwischen der Steiermark und Slowenien wieder passierbar, teilte die Landespolizeidirektion mit. Uneingeschränkt geöffnet sind die größeren Grenzstellen zwischen Bad Radkersburg und Gornja Radgona, zwischen Sicheldorf und Gederovci, der Autobahn-Übergang Spielfeld-Sentilj auf der Pyhrnstrecke (A9) sowie der Bahn-Grenzübergang am Spielfelder Bahnhof. Die Grenzübergänge St. Anna am Aigen, Zelting, Langegg und Pölten werden voraussichtlich erst morgen passierbar sein. Hier bedürfe es noch Regelungen von slowenischer Seite.

Piran
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Griechenland: Neustart am 1. Juli
Reise-Regeln auf bilateraler Ebene

Griechenland plant einen Neustart des Tourismus am 1. Juli. Das hat der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis bereits Anfang Mai angekündigt. Griechenland hat nach Regierungsangaben Kontakte mit Israel, Zypern, Österreich, Australien, Bulgarien und anderen Staaten aufgenommen, in denen die Corona-Infektionszahlen wie in Griechenland selbst relativ niedrig sind. Ziel ist es, auf bilateraler Ebene Regeln für Reisen auszuhandeln, damit der Tourismus wieder starten kann. Das österreichische Außenministerium warnt derzeit allerdings noch: Mit anhaltenden Einschränkungen und Quarantänemaßnahmen sei bis auf Weiteres zu rechnen. Von nicht unbedingt notwendigen Reisen, insbesondere Urlaubsreisen, wird dringend abgeraten. Direktflüge zwischen Griechenland und Österreich gibt es derzeit nicht, die Hin- und Rückreise auf dem Landweg ist aufgrund der Reisebeschränkungen nicht möglich.

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