Die Stimmung dürfte sich dem Gefrierpunkt nähern, wenn das Wahlkampfteam von Donald Trump die aktuellen Meinungsumfragen studiert. Seit Wochen bewegen sich die Werte des US-Präsidenten nur noch in eine Richtung: nach unten. Trumps Beliebtheitswerte sinken stetig, im Vergleich mit seinem Herausforderer, Ex-Vizepräsident Joe Biden, liegt er landesweit und in den meisten wichtigen Swing States konstant hinten. Ändern sich die Dinge nicht schnell, droht Trump als erstes amerikanisches Staatsoberhaupt seit fast 30 Jahren nach nur einer Amtszeit aus dem Weißen Haus ausziehen zu müssen.

Es ist vor allem der heftige Ausbruch des Coronavirus in den Vereinigten Staaten, der Trump zum Verhängnis werden könnte. Oder genauer gesagt, sein Umgang damit. Selbst nachdem im Jänner die ersten Fälle der neuartigen Krankheit in den USA aufgetreten waren, nahm der Präsident die Bedrohung lange nicht ernst und schlug Warnungen auch aus der eigenen Administration in den Wind. Als er schließlich reagierte, unternahm die Regierung zunächst nur halbherzige Schritte. Das Kompetenzwirrwarr im als desorganisiert bekannten Weißen Haus tat sein Übriges.

Entsprechend vernichtend fällt die Bilanz der Trump-Administration aus: Mittlerweile sind mehr als eine Million Covid-19-Fälle in den USA bestätigt. Mit mehr als 60.000 Toten hat die Pandemie bereits deutlich mehr amerikanische Opfer gefordert als der gesamte Vietnamkrieg. Und die Zahl der pro Kopf durchgeführten Tests liegt allen Versprechen der Regierung zum Trotz näher an Weißrussland denn an anderen Industrienationen. Kein Wunder also, dass ein Großteil der US-Bevölkerung das bisherige Krisenmanagement des Präsidenten als unzureichend ablehnt.

Den Vertrauensvorschuss der Amerikaner verspielt

Dabei hätte es anders kommen können. Nachdem das Virus im März im kollektiven Bewusstsein der Amerikaner angekommen war, gingen Trumps Zustimmungswerte zunächst nach oben. Es ist ein vertrauter Mechanismus in der amerikanischen Geschichte: In Krisenzeiten versammelt sich die Bevölkerung um den Mann im Weißen Haus. Doch anders als die meisten seiner Vorgänger konnte der Präsident nicht vom Vertrauensvorschuss der Bevölkerung profitieren. Der relative Höhenflug dauerte angesichts des als chaotisch wahrgenommenen Vorgehens der Administration nur wenige Wochen.

Beschleunigt wurde der ohnehin schnelle Abschwung noch von zeitweise täglichen Pressekonferenzen, auf denen Trump über Stunden Desinformationen verkündete. Der Tiefpunkt war erreicht, als der Präsident laut darüber nachdachte, ob Covid-Patienten durch die Injektion mit Haushaltsreinigungsmitteln geheilt werden könnten. Im Weißen Haus hieß es daraufhin, Trump werde künftig seltener vor die Medien treten. Ein Vorsatz, den der Präsident bislang weitgehend ignorierte. Ob dies die Chancen auf seine Wiederwahl in sechs Monaten erhöht, bleibt abzuwarten.

Dabei ist es nicht lange her, dass Trump als Favorit für den Urnengang im Herbst gehandelt wurde. Vor rund drei Monaten stand der Präsident vermeintlich im Zenit seiner Macht. Anfang Februar hatte er das Amtsenthebungsverfahren im Kongress überstanden, die Wirtschaft brummte und die Demokraten drohten sich bei der Suche nach einem Herausforderer selbst zu zerlegen.

Von diesem für Trump rosigen Bild ist nicht mehr viel übrig. Vom Impeachment spricht niemand mehr, die Oppositionspartei kürte überraschend schnell Biden zu ihrem Kandidaten und die Coronakrise ließ die USA in kürzester Zeit in eine tiefe Rezession schlittern. Rund 30 Millionen Amerikaner haben in den vergangenen sechs Wochen ihren Job verloren. Die Arbeitslosigkeit liegt aktuell bei 22 Prozent. So hoch war sie zuletzt in der Großen Depression in den 1930er-Jahren.

Es ist vor allem dieser heftige Abschwung, der Trumps Team Sorgen bereitet. Schließlich wollte der Präsident im Herbst mit einer starken Wirtschaft im Rücken in den Wahlkampf ziehen. Sie war der Schutzschild der Administration gegen sämtliche Vorwürfe, Trump sei zu erratisch oder charakterlich ungeeignet für das Weiße Haus.

Die Geschichte spricht gegen Trump

Doch daraus wird aller Voraussicht nach nichts. Zwar beschwört die Regierung seit Wochen eine schnelle Erholung, wenn das Virus erst einmal besiegt ist, Ökonomen sind aber skeptisch, ob es wirklich so schnell wieder nach oben gehen kann, wie es momentan nach unten geht. Und selbst wenn die US-Wirtschaft bald wieder wachsen sollte, sprechen die historischen Vergleiche gegen Trump. In den vergangenen 100 Jahren wurde nur ein US-Präsident kurz nach einer Rezession wiedergewählt: Calvin Coolidge im Jahr 1924.

Das Coronavirus hat Donald Trumps Wiederwahl damit unwahrscheinlicher gemacht. Gelaufen ist das Rennen trotzdem noch lange nicht. Sein Herausforderer Biden profitiert derzeit auch davon, dass die Amerikaner durch die Covid-Pandemie von seinem recht blutleeren Wahlkampf abgelenkt sind. Das dürfte sich ändern, je näher die Wahl rückt. Auch hat der Präsident bereits vor vier Jahren bewiesen, dass er gegen Umfragen und vermeintliche Favoriten durchaus gewinnen kann. Vier weitere Jahre Trump sind also noch lange nicht vom Tisch.

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