Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden hat die gegen ihn vorgebrachten Vorwürfe eines sexuellen Übergriffs vehement zurückgewiesen. "Sie sind nicht wahr. Das ist nie passiert", erklärte der frühere US-Vizepräsident am Freitag in einer schriftlichen Stellungnahme. Biden äußerte sich damit erstmals selbst öffentlich zu den Anschuldigungen gegen ihn.
Frauen verdienten es, mit Anstand und Respekt behandelt zu werden, und wenn sie Anschuldigungen äußerten, sollten diese gehört und genau untersucht werden, erklärte er weiter. Biden rief Medien auf, die Ungereimtheiten in den Vorwürfen gegen ihn genau zu prüfen.
Eine frühere Mitarbeiterin aus Bidens Zeit als US-Senator, Tara Reade, beschuldigt den heute 77-Jährigen, er habe sie 1993 in einem Senatsgebäude gegen eine Wand gedrückt und unter ihren Rock gegriffen. Bidens Wahlkampfkampagne hat die Anschuldigungen deutlich zurückgewiesen, der Demokrat selbst hatte bisher zu den Anschuldigungen jedoch geschwiegen. Er will bei der Präsidentschaftswahl im November gegen Amtsinhaber Donald Trump antreten. Die Vorwürfe werfen einen Schatten auf seine laufende Wahlkampagne.
Reade hatte ihre Vorwürfe vor mehreren Wochen in einem Podcast publik gemacht. Große US-Medien, darunter die "Washington Post" und die "New York Times", starteten daraufhin Recherchen, sprachen mit Reade, damaligen Weggefährten der Frau und früheren Mitarbeitern von Biden. Eindeutige Belege für ihre Darstellung fanden sie nicht. Die Schilderungen der Frau werfen einige Fragen auf. Es kamen zuletzt allerdings nach und nach weitere Informationsschnipsel dazu an die Öffentlichkeit - was den Druck auf Biden steigerte, sein Schweigen zu brechen.
Schön öfter gab es Vorwürfe
Biden ist bereits in der Vergangenheit wegen angeblichen Fehlverhaltens gegenüber Frauen kritisiert worden. Mehrere Frauen berichteten, Biden habe sie in unziemlicher Weise berührt oder umarmt. Die Anschuldigungen durch Reade sind aber die bisher schwersten gegen Biden vorgebrachten Vorwürfe zu angeblichen körperlichen Übergriffen.
Biden hat das Rennen bei den oppositionellen Demokraten um die Kandidatur gegen Donald Trump bei der Präsidentenwahl im November de facto für sich entschieden, obwohl die Vorwahlen noch nicht vorbei sind. Alle seine stärksten Konkurrenten um die Kandidatur warfen nacheinander das Handtuch, zuletzt Senator Bernie Sanders.
Auch gegen den amtierenden Präsidenten Trump haben in der Vergangenheit zahlreiche Frauen den Vorwurf sexueller Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung erhoben. Der Präsident hat alle Vorwürfe bestritten.
Die Wahl rückt näher
US-Gouverneure, Lokalpolitiker und auch der US-Kongress konnten sich in Folge der Coronakrise über Beliebtheitssprünge freuen - nicht jedoch der US-Präsident. Trotz Direktzahlungen an US-Bürger und tagtäglichen Pressekonferenzen hat Herausforderer Joe Biden Donald Trump in einigen Umfragen überholt. Dem US-Präsidenten brechen vor allem die älteren Wähler weg, meint Politikwissenschaftler Patrick Schoettmer im Gespräch mit der APA.
Wie US-Medien jüngst berichteten, soll Trump seinen Wahlkampfmanager Brad Parscale telefonisch attackiert haben. Trump dementierte auf Twitter prompt - es zeigt jedoch, dass der Präsident unter gewaltigem Druck steht. In den US-weiten Meinungsumfragen hat Trump seit Anfang April deutlich an Boden verloren. Nach einer jüngsten Umfrage des Umfrageinstitut Ipsos vom 29. April sind nur 42 Prozent der Amerikaner mit dem Gebaren des US-Präsidenten zufrieden, 53 Prozent zeigen sich unzufrieden.
Eine Rechnung ging für den US-Präsidenten damit definitiv bis dato nicht auf - nämlich die Krise als Plattform für die Wahl im November zu nutzen. Mit den täglichen Pressebriefings zur Coronakrise tue man sich im Weißen Haus keinen Gefallen, so lautet der Tenor in den USA. "Frustriert von einer schrumpfenden Wirtschaft, die außerhalb seiner Kontrolle ist und mit Gegenwind auf seinen Vorschlag konfrontiert, Desinfektionsmittel zur Bekämpfung des Virus einzusetzen, ist Präsident Trump vergangene Woche auf ein neuen Tiefpunkt gesunken", urteilte die NYT anlässlich der Attacken auf Wahlkampfmanager Parscale.
"Weiße unabhängige Wähler über 65 finden seine Reaktion auf die Coronakrise unzureichend", meint auch Patrick Schoettmer, Politikwissenschaftler an der Seattle University. "Die Wähler über 65 fühlen nicht, dass sich der Präsident für sie einsetzt." Diese Wählerschicht ist jedoch für Trump extrem wichtig, wie Schoettmer betont. "Die Republikaner brauchen die weißen und älteren Amerikaner". "Wenn sich in "Swing-States" wie Florida und Michigan die Stimmung dreht, dann könnte das Trump signifikanten Schaden zufügen", erklärt Schoettmer.