Seit dem 11. März warten die Italiener sehnlichst darauf, wenigstens zum Joggen das Haus verlassen zu dürfen. Während Ministerpräsident Giuseppe Conte mit den EU-Partnern über Hilfen für den Wiederaufbau der Wirtschaft streitet, wächst die Not der Bürger mit jedem Tag des Stillstands. Deshalb plant die Regierung Lockerungen der Ausgangssperren für den 4. Mai.
Bis zu zehn Millionen Italiener könnten unter die Armutsschwelle rutschen, sollte der jetzige Zustand anhalten, warnt der Wirtschaftswissenschaftler Salvatore Morelli in einer neuen Studie. In Großstädten wie Rom und Neapelbilden sich bereits jetzt lange Schlangen an sozialen Einrichtungen, die Nahrungsmittel verteilen. Bei der Caritas melden sich immer mehr Menschen, die Miete und Stromrechnungen nicht bezahlen können.
Nachdem Ministerpräsident Giuseppe Conte zunächst Norditalien zum Quarantäne-Gebiet erklärt hatte, weitete er am 11. März die Ausgangssperren auf das ganze Land aus. Sämtliche Geschäfte, die nicht Lebens- oder Arzneimittel verkaufen, wurden geschlossen. Doch die Infektionsrate stieg weiter rasant an. Zehn Tage später ordnete Conte deshalb die Schließung aller nicht strategischen Betriebe an. Wer sich außerhalb der eigenen vier Wände sportlich betätigen will, muss sich seither auf einen Radius von 200 Metern vor der eigenen Haustür beschränken.
Erste Lockerungen traten nach Ostern in Kraft. Buchhandlungen und Geschäfte für Babykleidung durften wieder öffnen. Seit dem Höhepunkt der täglichen Neuinfektionen mit mehr als 6.500 Fällen vom 21. März flacht die Kurve der Neuinfizierten im Zickzack-Modus langsam ab.
Strenger Abstand am Strand
Vor dem Hintergrund der Erfolge der Ausgangssperren und der wachsenden Not plant die Regierung nun weitgehende Lockerungen vom 4. Mai an. In Fabriken und auf Baustellen, die Sicherheitsstandards wie Mindestabstand einhalten, soll die Arbeit wieder aufgenommen werden. Am eigenen Wohnort dürften sich die Bürger wieder frei bewegen, vorerst voraussichtlich nur innerhalb der eigenen Stadt oder Region. Bars und Restaurants könnten vom 18. Mai an wieder ihre Pforten öffnen, allerdings mit wesentlich weniger Plätzen als bisher. Auch an den italienischen Stränden dürften im Sommer strenge Abstandsregeln gelten, die die übliche Enge zwischen Liegen und Sonnenschirmen unmöglich machen.
Damit die Ernte nicht auf den Feldern vergammelt, plant das Innenministerium unterdes, Saisonarbeitern mit abgelaufenen Papieren Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen zu erteilen. Die Amnestie soll für bis zu 200.000 der insgesamt 600.000 bislang als Schwarzarbeiter beschäftigten Immigranten gelten.
Bettina Gabbe aus Rom