Bernie Sanders schaute ernst in die Kamera in seinem Wohnhaus in Burlington, Vermont, als er sich das letzte Mal als Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten an seine Anhänger wandte. Kurz zuvor war die Nachricht durchgesickert, dass der Senator im Wettbewerb mit Ex-Vizepräsident Joe Biden aufgeben wird. „Wenn ich glaubte, dass es noch einen möglichen Weg zur Nominierung gäbe, würde ich weitermachen“, so Sanders mit versteinerter Miene. „Aber ich kann nicht guten Gewissens einen Wahlkampf ohne Aussicht auf Erfolg weiterführen.“ Dann versprach er, weiter für die Anliegen des progressiven Flügels der Partei zu kämpfen. Es war eine Entscheidung, die ihm sichtlich nicht leichtgefallen ist.
Die Chancen des 78-Jährigen auf die Präsidentschaftsnominierung der Demokraten waren bereits seit Wochen bestenfalls nur mehr theoretisch. Nach frühen Erfolgen in Iowa, New Hampshire und Nevada enttäuschte der Senator aus Vermont in zahlreichen Vorwahlen, verlor teils deutlich in Bundesstaaten, die er vor vier Jahren im Duell gegen Hillary Clinton noch gewonnen hatte, während sein Konkurrent Joe Biden zunehmend davonzog. Rein mathematisch hätte Sanders seinen Rivalen noch einholen können, dafür hätte in den noch ausstehenden Wettbewerben jedoch alles perfekt laufen müssen. Doch danach sah es schon lange nicht mehr aus.
Mit Corona fehlte der Kontakt zu den Anhängern
Der Ausbruch der Coronaseuche machte es Sanders fast unmöglich, noch Wahlkampf gegen Biden zu machen. Sanders’ Kampagne war besonders im persönlichen Kontakt gut. Seine Veranstaltungen zogen ein junges, hoch motiviertes Publikum an – ein scharfer Kontrast zu den recht blutleeren Auftritten des ehemaligen Vizepräsidenten, der für viele in der demokratischen Partei als akzeptabler Kandidat gilt, aber wenig Begeisterung auslöst. In Pandemie-Zeiten konnte Sanders diese Stärke jedoch nicht mehr ausspielen. Die Wahlkampfteams haben sich längst in ihre Büros zurückgezogen, wenden sich seit Wochen nur noch per Videochat an ihre Anhänger. In der Öffentlichkeit brachen sie damit angesichts der Coronakrise kaum noch durch. Schon für Biden ist das ein Problem. Für Bernie Sanders, der die Energie seiner Anhänger als Underdog noch dringender brauchte, war es tödlich.
Das dürfte Bernie Sanders spätestens angesichts der Vorwahl am Dienstag im US-Bundesstaat Wisconsin gemerkt haben. Die Primary fand trotz der Corona-Pandemie statt, unter extremen Bedingungen. Ergebnisse waren am Mittwochnachmittag noch nicht veröffentlicht, doch Sanders’ Rückzug am Tag danach legte die Vermutung nahe, dass die internen Zahlen der Kampagne auch hier wieder auf eine Niederlage hinwiesen. Corona dürfte die Niederlage des Senators besiegelt haben. Ausgelöst hat das Virus sie nicht. Sanders’ war von Beginn an gescheitert, seine erklärte Strategie in die Tat umzusetzen. Sein Plan, neue Wähler an die Urnen zu bringen und so den Druck auf das politische Establishment auszuüben, ließ sich nie in die Praxis umsetzen.
Er versprach, junge Wähler und Minderheiten zu mobilisieren, doch in den bisherigen Vorwahlen tauchte diese vermeintliche Koalition nicht in großer Zahl in den Wahlkabinen auf. Damit gingen Sanders zunehmend die Argumente aus, warum ausgerechnet er in der Lage sein sollte, im Herbst, wenn es gegen Donald Trump geht, die Wahlbeteiligung in die Höhe zu treiben. Biden wiederum gewann im Vergleich zu Clinton vor vier Jahren in der Mitte neue Wähler hinzu.
Auf Joe Biden wartet jetzt keine leichte Aufgabe
Auf den designierten Kandidaten kommt mit dem Ende der Sanders-Kampagne eine große Aufgabe zu. Will Biden im November gewinnen, muss er in den kommenden Monaten Sanders’ Anhänger von sich überzeugen. Leicht wird das nicht. Sogar unter den Anhängern des Ex-Vizepräsidenten ist die Begeisterung für seine Kandidatur nicht überwältigend. Biden wird Sanders also brauchen, um die Partei zu einen.
Das wird sich der Senator etwas kosten lassen. Auch wenn er die Nominierung der Demokraten nicht erhalten werde, bleibe er in den restlichen Vorwahlen auf dem Wahlzettel, um weiter Delegierte zu sammeln, versprach Sanders seinen Anhängern. Das soll ihm ermöglichen, auf dem Parteitag im Sommer erheblich am Wahlprogramm mitzuschreiben. Sanders hat seinen Wahlkampf beendet. Verschwinden wird er nicht.
unserem Korrespondenten Julian Heißler aus Washington