Die Tageszeitung „Daily News“ fasste 1975 mit einer lapidaren Schlagzeile das Verhältnis des damaligen amerikanischen Präsidenten Gerald Ford mit der Stadt New York zusammen: „Ford an Stadt: Stirb.“ Hintergrund der legendären Überschrift war die Weigerung des Präsidenten, die damals bankrotte Stadt mit Geldern aus dem Bundesbudget zu unterstützen. Ford widersetzte sich den Forderungen der New Yorker Stadtregierung nach einer Finanzspritze fast ein ganzes Jahr, bis er letztendlich im Dezember 1975 knirschend ein 2,3-Milliarden-Hilfspaket absegnete.
Mehrere New Yorker Zeitungen mussten jetzt wohl mehr als einmal überlegt haben, eine ähnliche Schlagzeile auf ihren Titelseiten zu platzieren, denn der amtierende amerikanische Präsident, Donald J. Trump, schien bis vor Kurzem die Stadt auch ihrem Schicksal inmitten der landesweiten Covid-19-Epidemie überlassen zu wollen.
Gouverneur gegen Trump
Unter anderem stritt sich der bis dato einzige aus der Stadt stammende amerikanische Präsident mit dem als Krisenmanager hochgelobten Gouverneur des Bundesstaates New York, Andrew Cuomo, öffentlich über die Anzahl der benötigten Beatmungsgeräte.
Laut Cuomo benötigt New York 40.000 solche Geräte. „Ich glaube nicht, dass man 40.000 oder 30.000 Beatmungsgeräte braucht“, sagte Trump in einem Interview mit „Fox News“ noch letzte Woche. Der Präsident fuhr fort: „Wissen Sie, man geht in ein großes Krankenhaus und sie haben zwei Beatmungsgeräte, und jetzt sagen sie plötzlich: ,Können wir 30.000 bestellen?‘“ Cuomo aber beharrt auf der Anzahl, die die Bundesregierung für seinen Bundesstaat und die Stadt beschaffen soll: „Ich hoffe, New York braucht keine 30.000 Beatmungsgeräte. Aber ich setzte nicht auf Meinung und Hoffnung. Ich setzte auf Fakten und Daten und die Wissenschaft.“
GM zum Bau von Beatmungsgeräten gezwungen
Trump hat sich letztendlich am Freitag durchgerungen und erstmals ein ursprünglich für Kriegszeiten gedachtes Gesetz aus den 1950er-Jahren, den Defense Production Act, angewandt, um General Motors zum Bau von zusätzlichen Beatmungsgeräten zu zwingen. Der Präsident verspricht 100.000 solche Geräte in den nächsten 100 Tagen. Für New York könnte es da aber schon zu spät sein.
Im Moment hat der Bundesstaat gerade 11.000 Stück. Die Stadt New York alleine braucht aber laut Bürgermeister Bill de Blasio mindestens 15.000, wenn die Corona-Pandemie in zwei bis drei Wochen ihren Höhepunkt erreichen wird. Bisher erreichten nur 400 zusätzliche Geräte die Stadt.
Die Lage in der Stadt spitzt sich rasant zu. De Blasio sagt, dass schon nächsten Sonntag die medizinische Versorgung der Stadt zusammenbrechen könnte. „Ich bin sehr besorgt, wenn ich daran denke, was wir nach dem nächsten Sonntag, dem 5. April, alles brauchen werden,“ erklärte er während einer Pressekonferenz am letzten Freitag.
Alle 17 Minuten stirbt ein New Yorker am Coronavirus
In den letzten 48 Stunden starb alle 17 Minuten ein New Yorker an dem Virus, laut einer Statistik der Stadtregierung. Die Gesamtzahl der Infizierten liegt bei mittlerweile fast 28.000. Am schlimmsten hat es den Stadtbezirk Queens erwischt, mit fast 10.000 Infizierten. Das Epizentrum dort ist das Elmhurst Hospital Center. Für Bürgermeister Bill de Blasio ist es das „Zentrum“ im Kampf gegen die Krise. Auch dort ist der Mangel an Beatmungsgeräten das größte Problem.
Trump und Gouverneur Cuomo stammen beide aus Queens, das verbindet sie, auch wenn ihre Beziehung zwischen Feindschaft und Respekt schwankt. Problematisch ist auch, dass beide sehr entgegengesetzte Strategien im Kampf gegen das Virus einsetzen.
Trump deutet immer wieder an, die strengen Ausgangsbestimmungen so bald wie möglich lockern zu wollen – trotz gegenteiligen einhelligen Rats der medizinischen Experten. Cuomo hingegen schwört die New Yorker auf einen langen und steinigen Weg ein, den es gemeinsam zu bewältigen gelte. Er beschönigt nichts. Cuomos Führungsstil kommt in der Bevölkerung gut an. Schon werden erste Stimmen laut, dass Cuomo, ein Demokrat, für das Amt des Präsidenten kandidieren sollte.
unserem Korrespondenten Franz-Stefan Gady aus den USA