Wie lässt sich die Corona-Krise in den Griff bekommen? Das scheint derzeit mehr vom Naturell der Staatenlenker abzuhängen als von den Fakten. Beim Krisenmanagement zeigt sich: Schwächen im Führungsstil schlagen jetzt besonders drastisch durch. Und: Die westlichen Staaten haben noch viel zu lernen von ihren Partnern in Asien. Hier ein Überblick.
Trump: Der Corona-Leugner
Was soll man von einem Krisenmanager halten, der, nachdem er mit einem Infizierten in Kontakt war, sich über mehrere Tage öffentlich weigert, einen Corona-Test zu machen? Glaubwürdigkeit vermittelt Donald Trump in seinem Umgang mit der Krise keine. Nach wochenlangem Leugnen der Gefahren durch das Virus, ist er mittlerweile zwar in die Gänge gekommen; Auftritte mit Baseball-Kappe sollen Tatendrang vermitteln. Doch seine Aussagen drehen sich beinahe täglich: von "Wir haben dieses Virus unter Kontrolle", "Unser Rettungspaket stabilisiert die Wall Street" bis zu seinen jüngsten Kehrtwenden: "Dieses Virus ist nicht unter Kontrolle - nirgends auf der Welt" und neuerlichen Abstürzen der Börsen. Zugleich hat er mit beträchtlichen Schwächen der Infrastruktur des US-Gesundheitssystems zu kämpfen.
Johnson: Der Gleichgültige
Nach Wochen der angeblich wissenschaftlich begründeten Untätigkeit liegen in Großbritannien mittlerweile bei vielen die Nerven blank. Premier Boris Johnson erteilte den Briten erst am Sonntagabend den Ratschlag, nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben. Johnson hatte lange Zeit auf eine Theorie der "Herdenimmunität" gesetzt, bei der sich die Jüngeren einfach anstecken und die Älteren geschützt werden sollten - nur wie, das war nicht ganz klar ersichtlich. Eine Studie des Imperial College London hatte ergeben, dass diese darwinistische Strategie nach konservativen Schätzungen zu 250.000 Toten führen würde. In Großbritannien fühlen sich einige bereits als Versuchskaninchen ihres Premiers. Man wirft ihm vor, einfach die Wirtschaft schützen zu wollen und dafür Tote in Kauf zu nehmen.
Mittlerweile schwenkt er zunehmend auf den Kurs der Festland-Europäer ein - allerdings alles auf freiwilliger Basis. Der Premierminister erteilt Ratschläge und Appelle an die Vernunft: Großveranstaltungen sind nicht offiziell verboten, sie werden aber nicht mehr von der Regierung mit Personal unterstützt. Schulen, Kindergärten und Universitäten sind weiterhin geöffnet - sollen nun aber doch am Freitag geschlossen werden. Auch Pubs, Theater und Geschäfte wurden nicht geschlossen. Johnson forderte die Bürger nur dazu auf, sie nicht mehr aufzusuchen. Doch wegen der Ratschläge, nicht hinzugehen, bleiben der Wirtschaft die Kunden weg. Doch da es ja keine klare Anordnung, zuzusperren gibt, gibt es auch keine Ausfallshaftungen der Regierung.
Macron: Der Kriegspräsident
In Frankreich setzt Präsident Emmanuel Macron auf pathetische Worte, um seine Maßnahmen durchzusetzen: Zu den Klängen der Marseillaise verkündet der Staatspräsident, Frankreich befinde sich im Krieg gegen einen unsichtbaren Feind. Polizei und Armee sind im Einsatz, um über die Einhaltung der Ausgangssperre zu wachen. Restaurants und Bars sind geschlossen. Etwas zeitverzögert wird nun auch in Frankreich das Alltagsleben heruntergefahren.
Kurz und Merkel: Die Nüchternen
Appelle an die Solidarität, Präsentation von Fakten und Modellen, wie sich die Verbreitung des Virus entwickeln wird: Österreich war in der EU unter den ersten Ländern, die scharfe Maßnahmen zur sozialen Isolation in Gang setzten und auch die Grenzen sperrten. Deutschland zog etwas zeitverzögert nach. So sachlich wie möglich informieren Kanzler Kurz, Gesundheitsminister Anschober und Innenminister Nehammer über die Schritte. Angela Merkel informiert in ihrem gewohnt unaufgeregten Ton - doch dass es ernst ist, machte sie am Mittwoch in einer TV-Rede klar: "Wir haben es mit der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu tun", so die Kanzlerin.
Asiens Premiers: Die Weltmeister
Es ist bemerkenswert: Obwohl Taiwan geographisch in unmittelbarer Nähe Chinas liegt, gehört es mit 108 bestätigten Coronavirus-Infektionen und erst einem Todesfall zu den Ländern, in denen sich das Virus am langsamsten ausbreitet. In Singapur gibt es 345 Infektionen, keine Toten - und 124 Erkrankte wurden geheilt. Taiwan hatte einen Startvorteil: Vizepräsident Chen Chien-jen ist selbst ein Epidemiologe. Er reagierte äußerst schnell. Taiwan führte massenhaft Coronavirus-Tests durch. Taiwan, Hongkong, Singapur und inzwischen auch Südkorea haben die Coronavirus-Krise unter Kontrolle gebracht.
Als in Taiwan Anfang Februar der erste Corona-Fall auftrat, bekamen ALLE Bürger ein SMS - es enthielt eine Landkarte, auf der verzeichnet war, wo sich die infizierte Touristin aus Wuhan aufgehalten hatte - und die Bürger waren angehalten, zu überprüfen, ob sie mit der Dame in Kontakt waren. In Taiwan, genauso wie in Hongkong und Singapur, inzwischen aber auch in Südkorea ist es gelungen, der Krise Herr zu werden, ohne das soziale Leben komplett einzufrieren, ohne den drakonisch-chinesischen Ansatz der totalen Isolation, stattdessen mit Informationen, vielen Virentests und vor allem schnellen Entscheidungen. Die Behörden betreiben bei jeder Neuinfektion das sogenannte "Contact Tracing" mit größter Akribie - das Nachverfolgen der Ansteckungskette und konsequentes Isolieren. Hier hat man aus der SARS-Epedimie von 2003 viel gelernt und verfügt über erprobte Notfallpläne gegen Viren-Ausbreitung.