Was haben die Corona-Epidemie und die russische Einflussnahme auf den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 gemeinsam? Mehr als sich vermuten lässt. Nicht nur werden beide Ereignisse von Präsident Donald Trump ignoriert und kleingeredet. Beide könnten auch als wichtige Katalysatoren die politische Spaltung der amerikanischen Gesellschaft im Kampf um das Weiße beschleunigen.

Natürlich ist 2016 nicht 2020. Man denke nur an die Resultate der Vorwahlen der Demokraten in sechs Bundesstaaten zu Wochenanfang. Ex-Vizepräsident Joe Biden feierte einen klaren Wahlsieg in vier Staaten und scheint unaufhaltsam auf die demokratische Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten zuzusteuern. Er gewann in Michigan, einen wichtigen „Swing State“ haushoch gegen seinen Rivalen, Bernie Sanders Dieser hatte 2016 dort noch gegen Hillary Clinton gewonnen.

Sanders ohne Chance

Bereits bei den nächsten Vorwahlen am 17. März könnte Biden seinen Vorsprung an Delegierten, die im Sommer den demokratischen Kandidaten wählen werden, so ausbauen, dass Sanders keine Chance auf die Nominierung mehr hat. 2016 war das noch anders. Die politische Wiederauferstehung Bidens und der tiefe Fall Sanders sind einer der dramatischsten Wendepunkte in der jüngsten Geschichte von US-Vorwahlen. Die gesamte Elite der Demokraten, inklusive Barack Obama, hat sich mittlerweile hinter Biden versammelt, was maßgeblich zu dessen jüngsten Siegen beitrug.

Die Partei will wegen der drohenden Polarisierung ihrer Wählerschaft unter allen Umständen einen langen Vorwahlkampf vermeiden. Doch scheint 2020 nahtlos an 2016 anzuknüpfen. Diesmal ist es aber nicht die russische Einflussnahme, die vor vier Jahren in den „Swing States“ verstärkt zu spüren war. Das Coronavirus könnte das ganze Land spalten.
Aus wahltaktischen Gründen versuchen Trump und die Republikaner seit Wochen die Epidemie herunterzuspielen. Das hat vor allem mit einer wirtschaftlichen Rezession, verursacht durch Panik an den Börsen zu tun.

Wirtschaftskrise als Faktor

Kommt es vor November zu einer neuerlichen Wirtschaftskrise, sinken Trumps Chancen auf eine Wiederwahl rapide. Aus diesem Grund will er ein Konjunkturpaket für die US-Wirtschaft absegnen. Demokraten, allen voran Biden, werfen Trump hingegen Verantwortungslosigkeit vor. Biden will diese Woche einen Plan zur Bekämpfung von Corona präsentieren. Er und Sanders sagten alle Kundgebungen ab. Biden ruft im Kampf gegen die Krise zu Einheit auf.

Die spalterische Wirkung des Virus zeigt sich schon jetzt. Laut einer Umfrage von Survey Monkey glauben zwei Drittel aller Republikaner, dass Nachrichten über die Gefahr von Corona übertrieben sind. Gleichzeitig zeigen sich 87 Prozent der Republikaner mit den Maßnahmen Trumps zur Virusbekämpfung zufrieden. Dagegen sind 68 Prozent der Demokraten „sehr oder etwas besorgt“ was die globale Epidemie betrifft und 83 Prozent glauben, dass das Weiße Haus mit der Gesundheitskrise falsch umgeht. Im Gegensatz zu Biden und Sanders will Trump an Wahlkampfveranstaltungen festhalten. Wie lange er die Epidemie ignorieren kann, bleibt fraglich.

Biden, Sanders, und Trump sind die drei Amerikaner, die derzeit wohl die meisten Hände schütteln. Nähe ist wichtig im Wahlkampf. Es könnte daher durchaus sein, dass sich einer der drei mit dem Coronavirus ansteckt. Vor allem Trumps Wahlkampf könnte die Krankheit erheblich schwächen. Der Präsident bezieht seine politische Energie aus mittlerweile sattsam bekannten Großkundgebungen. Ohne diese würde er stark an politischem Kapital einbüßen. In diesem Sinne könnte auch die bewusste Verbreitung von Falschinformationen im Gegensatz zu 2016 diesmal Donald Trump politisch 2020 gehörig schaden.