Die Türkei weist Berichte zurück, wonach sie den Flüchtlingen im Land die Grenzen Richtung Europa geöffnet habe. "In der Flüchtlings- und Migrationspolitik unseres Landes, das die meisten Flüchtlinge in der Welt aufgenommen hat, gibt es keine Änderung", hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme des Außenministeriumssprechers Hami Aksoy.
Ministeriumssprecher Aksoy warnte aber, dass die Migrationsbewegungen in der Türkei Richtung Außengrenzen "im Falle einer Verschlechterung der Situation" stetig zunehmen könnten. Die Entwicklungen in der syrischen Stadt Idlib und die Massenvertreibungen dort hätten "den Migrationsdruck, der auf unserem Land lastet" noch erhöht. Dies hätten auch die Flüchtlinge und Migranten im Land verfolgt, so dass sie nun angefangen hätten, "sich in Richtung unserer westlichen Grenzen zu bewegen".
Die Nachrichtenagentur AFP hatte berichtet, dass die türkische Regierung syrische Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa nach eigenen Angaben nicht mehr aufhalten werde. Die Türkei werde die Grenzen nicht länger für Flüchtlinge schließen, "die nach Europa wollen", sagte ein ranghoher Regierungsvertreter am Freitag der Nachrichtenagentur.
Bereits zuvor hatten türkische Medien berichtet, die Türkei habe ihre Grenzen zu Griechenland und Bulgarien "geöffnet".
Eskalation in Idlib
Der türkische Regierungsvertreter äußerte sich nur Stunden nach einer dramatischen militärischen Eskalation in der syrischen Provinz Idlib. Bei syrischen Luftangriffen auf Stellungen der türkischen Armee waren am späten Donnerstagabend 33 Soldaten getötet worden, 32 weitere wurden verletzt. Die türkischen Streitkräfte reagierten mit Vergeltungsangriffen.
Der Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogans Partei AKP, Ömer Celik, sagte dem Sender CNN Türk am Freitag, bei einer Krisensitzung der Regierung sei festgehalten worden, dass die Türkei "dem Druck durch neu ankommende Flüchtlinge nicht standhalten" könne. "Es gibt nur eine Sache, die die Europäische Union tun kann, und das ist, der Türkei zu helfen", fügte er hinzu. Bereits Ende vergangenen Jahres hatte Erdogan mit der Öffnung der Grenzen gedroht.
Nehammer: Beobachten Lage ganz genau
Hatte es Freitagfrüh zunächst geheißen, dass die Türkei syrische Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa nicht mehr aufhalten will, wies die Türkei später Berichte über eine Grenzöffnung zurück. "Wir beobachten die Lage sehr genau", sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Rande eines Coronavirus-Termins am Vormittag in Wien.
"Wir vertrauen darauf, dass die Türkei pakttreu ist", betonte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) seinerseits. "Es wird seitens der EU mit der Türkei nach dieser Aussage Gespräche geben", kündigte er an. Nehammer betonte, dass der österreichische Verbindungsbeamte in Griechenland genau beobachte, "ob es eine tatsächliche Veränderung gibt oder nicht".
EU-Kommission: Flüchtlingsabkommen mit Türkei weiter in Kraft
Die EU-Kommission hat nach Angaben eines Sprechers bisher von der Türkei keine offizielle Ankündigung erhalten, dass die Migrationspolitik des Landes geändert werde. Aus Sicht der EU sei das Flüchtlingsabkommen daher weiter in Kraft, erklärte ein Sprecher am Freitag in Brüssel.
Berichte unter anderem in sozialen Medien über Gruppen von Migranten, die sich angeblich auf die Landgrenze der Türkei zu Bulgarien und Griechenland zu bewegen sollen, beobachte die EU-Kommission genau, bisher gebe es aber keine Bestätigung dafür, hieß es. Angesichts der militärischen Eskalation des Konflikts der syrischen Provinz Idlib sprach der Sprecher von einer "sehr gefährlichen Entwicklung" und dem Risiko, dass die Welt in eine "offene internationale militärische Konfrontation" schlittere. Die EU-Kommission rief deshalb alle Konfliktparteien zur Deeskalation auf.
Türkei: Keine Politik-Änderung
Die Türkei weist Berichte zurück, wonach sie den Flüchtlingen im Land die Grenzen Richtung Europa geöffnet habe. "In der Flüchtlings- und Migrationspolitik unseres Landes, das die meisten Flüchtlinge in der Welt aufgenommen hat, gibt es keine Änderung", hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme des Außenministeriumssprechers Hami Aksoy.
Ministeriumssprecher Aksoy warnte aber, dass die Migrationsbewegungen in der Türkei Richtung Außengrenzen "im Falle einer Verschlechterung der Situation" stetig zunehmen könnten. Die Entwicklungen in der syrischen Stadt Idlib und die Massenvertreibungen dort hätten "den Migrationsdruck, der auf unserem Land lastet" noch erhöht. Dies hätten auch die Flüchtlinge und Migranten im Land verfolgt, so dass sie nun angefangen hätten, "sich in Richtung unserer westlichen Grenzen zu bewegen".
Grenzen bereits geöffnet?
Es hatte in der Nacht in türkischen Medien Berichte gegeben, dass die Türkei ihre Grenzen bereits geöffnet habe. Die der Regierung von Erdogan nahestehende Tageszeitung "Sabah" berichtete, dieser Schritt sei bei einer Krisensitzung unter Leitung des Staatschefs beschlossen worden. Ein Insider sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die türkische Polizei, Küstenwache und Grenzschützer seien angewiesen worden, sich bei ihrer Kontrolltätigkeit zurückzuhalten.
Wie die Nachrichtenagentur DHA berichtete, machten sich in Folge der Medienberichte hunderte Migranten in der Türkei auf den Weg in Richtung der EU-Grenzen. Fast 300 Migranten, darunter Syrer, Iraner, Iraker, Marokkaner und Pakistanis, erreichten am Morgen die Provinz Edirne an der Grenze zu Griechenland. Eine weitere Gruppe Migranten befand sich laut DHA im westtürkischen Canakkale, von wo aus sie mit Booten auf die griechische Insel Lesbos übersetzen wollte.
Seit Anfang Dezember sind nach UNO-Angaben rund 950.000 Menschen aus den umkämpften Gebieten in Nordwestsyrien geflohen, darunter eine halbe Million Kinder. Viele von ihnen leben unter katastrophalen Bedingungen in der Grenzregion zur Türkei. Kaltes Winterwetter verschärft die Lage.
Zahlungen aus der EU
Die Türkei hat in den vergangenen Jahren 3,7 Millionen Flüchtlinge aus dem 2011 begonnenen syrischen Bürgerkrieg aufgenommen, zuletzt aber ihre Grenzen geschlossen. 2015/16 kam es in Europa zu einer sogenannten Flüchtlingskrise, bei der Hunderttausende Menschen aus Syrien, aber auch anderen Staaten Asiens und Afrikas nach Europa kamen. Die meisten zogen über den Balkan und Ungarn nach Österreich und Deutschland.
Die EU sagte Ankara 2016 daraufhin sechs Milliarden Euro für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in der Türkei zu. Dies war Teil eines Flüchtlingspaktes, der die türkische Seite verpflichtete, alle neu auf den griechischen Inseln ankommenden Migranten zurückzunehmen und stärker gegen Schlepperbanden vorzugehen. Die Türkei kritisierte die Auszahlung der Gelder regelmäßig als zu langsam. Die EU wies die Vorwürfe zurück.
Griechenland verstärkt Grenzpatrouillen
Nach der Ankündigung Ankaras, Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa nicht länger aufzuhalten, hat Griechenland seine Grenzpatrouillen verstärkt. "Griechenland hat die Bewachung seiner Grenzen zu Land und zu Wasser maximal verschärft", hieß es am Freitag aus Regierungskreisen. Aus Polizeikreisen erfuhr die Nachrichtenagentur AFP, dass die Grenzpatrouillen verdoppelt wurden.
Nach Angaben aus Militärkreisen wurden in der Region Evros an der Grenze auf türkischer Seite rund 300 Menschen gesichtet. Diese Zahlen seien aber nicht ungewöhnlich, sagte ein Militärvertreter.
Auch die türkische Nachrichtenagentur DHA berichtete am Freitag von rund 300 Menschen, die sich auf den Weg in Richtung eines Grenzübergangs in Edirne gemacht hätten. Andere kämen in der Provinz Canakkale nahe Ayvacik zusammen, um per Boot auf die griechische Insel Lesbos und damit in die EU zu gelangen.
"Wir haben Daten über viel Gedränge"
Auch Bulgarien verschärft seine Kontrollen an der Grenze zur Türkei, nachdem Ankara angekündigt hat, syrische Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa nicht länger aufzuhalten. Bulgarien verschärfe die Sicherheitsmaßnahmen entlang der Grenze zum Nachbarland, nachdem sich Migrantengruppen in der Türkei auf die Grenze zubewegten, sagte Premierminister Bojko Borissow am Freitag.
"Wir haben Daten über viel Gedränge", sagte Borissow während einer Regierungssitzung und kündigte an, dass er mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan telefonieren wolle.