Syriens Langzeit-Machthaber Bashar al Assad lässt sich von den Drohungen der Türkei so kurz vor dem Ziel nicht mehr aufhalten. Seine Truppen haben in den vergangenen Tagen im Nordwesten des Landes rund um Aleppo Dutzende Dörfer zurückerobert und noch mehr Menschen in die Flucht getrieben. Gestern Abend ist Assad im Fernsehen aufgetreten, um den Erfolg der Offensive zu feiern. Der Krieg werde weiter gehen, bis die letzten Rebellen besiegt seien, sagte Assad.
"Dies ist der Auftakt zu ihrer endgültigen Niederlage", sagte Bashar-al-Assad am Montag in einer vom Fernsehen übertragenen Ansprache mit Blick auf jüngste Geländegewinne im Kampf gegen die Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten des Landes.
Vertreter der türkischen Regierung pochten dagegen bei Gesprächen mit russischen Regierungsmitarbeitern in Moskau auf einen Stopp der Kämpfe. Die Türkei unterstützt bestimmte Rebellengruppen in Idlib, während Russland und der Iran mit Assad verbündet sind.
Nach Abgaben der Vereinten Nationen sind in den vergangenen vier Tagen 40.000 Menschen vor den Kämpfen in Idlib geflohen. Seit Beginn der Offensive im vergangenen Jahr sind demnach 875.000 Zivilisten - meistens Frauen und Kinder - aus der Region geflohen. Die syrischen Truppen werden von der russischen Luftwaffe und Milizen unter Kontrolle des Iran unterstützt. Die Türkei hat Truppen in den Norden Syriens verlegt und droht der syrischen Armee in Falle von Angriffen mit Vergeltung. Die Armee Assads kontrolliert eigenen Angaben zufolge mittlerweile weite Teile der Gebiete um Aleppo im Nordwesten des Landes.
Verhandlungen über Feuerpause
Am heutigen Dienstag wollen die Vertreter Russlands und der Türkei in Moskau die Verhandlungen über eine Feuerpause fortsetzen. Am Wochenende konnte bei einem Telefonat zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und dessen türkischem Kollegen Recep Tayyip Erdogan sowie auch bei einem Treffen der Außenminister beider Länder keine Einigung erzielt werden.
Die Krise im Nordwesten Syriens habe ein "entsetzliches neues Niveau" erreicht, erklärte UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock. Die Menschen seien traumatisiert und gezwungen, bei eisigen Temperaturen draußen zu schlafen, weil die Lager voll seien. Babys und kleine Kinder seien wegen der Kälte gestorben, sagte er weiter. Die Gewalt treffe wahllos auch Gesundheitseinrichtungen, Schulen, Wohngebiete und Märkte.
Die Region um die Stadt Idlib ist Syriens letzte große Rebellengebiet. Assads Truppen hatten im vergangenen Jahr eine Offensive auf die Region begonnen. Unterstützt von Russland setzen sie die Angriffe trotz einer Waffenruhe fort. Damaskus und Moskau argumentieren, sie bekämpften Terroristen. Dominiert wird das Gebiet von der Al-Kaida-nahen Miliz Haiat Tahrir al-Sham (HTS). Dort kämpfen aber auch gemäßigtere Regierungsgegner. Syriens Führung bezeichnet generell aber alle Rebellen als Terroristen.
Assad kündigte an, die Armee werde ganz Syrien von "Terror" und "Feinden" befreien. Die jüngsten Erfolge bedeuteten nicht das Ende des Krieges: "Wir haben ihre Nasen als Vorspiel für den vollständigen Sieg in den Boden gedrückt." Assad hatte schon früher erklärt, seine Truppen würden erst stoppen, wenn sie ganz Syrien eingenommen hätten.
Zwischen syrischen Regierungsanhängern und Truppen des nördlichen Nachbars Türkei war es zuletzt zu starken Spannungen gekommen. Die Türkei unterstützt die syrischen Rebellen und hat selbst Soldaten in dem Bürgerkriegsland im Einsatz. Sie warf der syrischen Regierung vor, auf syrischem Gebiet ihr Militär beschossen und mehrere türkische Soldaten getötet zu haben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte deswegen mit Vergeltungsangriffen.
Helfer beklagen eine katastrophale humanitäre Lage. Es fehlt an Unterkünften, Nahrungsmitteln, Heizmaterial und medizinischer Versorgung. Viele Menschen schlafen trotz Wintertemperaturen in notdürftig errichteten Zelten aus Plastikplanen. In der Vergangenheit waren immer wieder Kliniken bombardiert worden. Regierungsgegner werfen Syrien und Russland vor, gezielt lebenswichtige Infrastruktur anzugreifen, um die Menschen zur Aufgabe zu zwingen.
Russland verteidigte seinen Einsatz an der Seite der syrischen Armee rund um Idlib als Kampf gegen Terroristen. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump Moskau zu mehr Zurückhaltung im Syrienkrieg aufgefordert. Russland sollte seine Unterstützung "für die Gräueltaten des Regimes" beenden, erklärte das Weiße Haus.