Der französischer Präsident Emmanuel Macron hat vor einer Woche eine große Rede zur europäischen Zukunft vor der Universität Sorbonne gehalten. In München stellte er sich den Fragen vom Leiter der Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, zu seinem Plan für Europa. Er stelle eine gewisse Schwächung des Westens fest, begann der Staatschef. „Vor zehn Jahren dachten wir noch, dass unsere Werte universell sind.“ Nun stellten andere Mächte diese Werte infrage wie Russland oder China, aber auch regionale Kräfte. „Wir brauchen eine Strategie, um uns wieder als strategische Macht darzustellen.“
Europa müssen einen Kern definiert. Dazu gehöre das Einstimmigkeitsprinzip und auch das Prinzip: Ein Kommissar pro Land. Es brauche ein "Herz in Europa", das sehr viel integrierter handelt. "Wir stehen vor einer Stunde der Wahrheit", warnte Macron. "Sehr viel haben wir da gemein mit den USA. Es ist aber nicht ganz dasselbe, was Amerika will", führte der Präsident aus und erklärte: "Wir haben nicht die gleiche Geografie, nicht den gleichen Gedanken von sozialem Ausgleich." Die Mittelmeerpolitik sei eine vorrangig europäischen Politik und auch die Nachbarschaft zu Russland sei anders als die transatlantische Sicht. Frank-Walter Steinmeiers Rede zur Eröffnung am Vortag und die Vorstellung des deutschen Bundespräsident von Europa entspreche aber auch seinen Gedanken.
Macron ist ungeduldig
Auf Ischingers Frage, ob die deutsch-französische Freundschaft nicht eher schwierig gewesen sei und es doch für ihn frustrierend gewesen sein muss, dass man in Deutschland nicht auf ihre Vorschläge reagiert, sagte der Staatschef amüsiert: „Ich bin kein Mensch der Frustration, nur etwas ungeduldig.“ Es sei eine „lange Geschichte unserer Freundschaft“, dass man auf die andere Seite warten müsse. Es habe auch früher Vorschläge aus Berlin gegeben, auf die Deutschen lange auf eine Antwort aus Paris hätten warten müssen, wie etwa Joschka Fischers Rede vor etlichen Jahren.
„Es gibt eine Krise der europäischen Demokratien und der Mittelklasse. Sie zweifeln an der Idee und wir müssen gemeinsam eine Antwort geben“, sagte Macron und lobte dann die neue Mannschaft der EU. „Sie eröffnet ganz neue Möglichkeiten, um schneller zu werden auf EU-Ebene.“ Um das zu erreichen, müssten die Europäer aber die Beziehung verändern.
Wieder an die Zukunft zu glauben
„Europa ist ein Kontinent, der nicht mehr an seine Zukunft glaubt.“ China investiere unglaublich in seine Zukunft, betonte Macron. Auch die USA gäben inzwischen mehr öffentliche Gelder für die Weichenstellung der Zukunft aus. In Europa hingegen sehe er seit einem Jahrzehnt wir einen Stillstand der öffentlichen und privaten Investitionen. Das führt auch zu dem Nullzinssatz, weil so viel gespart werde. „Wir müssen wieder Freude haben am Investieren“, forderte der Präsident.
Macron verteidigte auch seine Ideen für eine stärker militärische Kooperation, auch bei den Atomwaffen. „Wir brauchen ein Europa der Verteidigung“, fordert der Franzose. Dies sei aber nur eine zweite Säule neben der Nato für das europäische Sicherheitskonzept. „Wir müssen auf die amerikanischen Wünsche eine eigene Antwort finden. Wir müssen uns selber schützen und Handlungsfreiheit bekommen“, sagte Macron. Sonst habe die Europäische Union in der Außenpolitik auch keine Glaubwürdigkeit. Der Streit um den Atomdeal mit dem Iran habe dies klar gezeigt, wo die EU eine andere Sicht hat als die USA.
Neues Verhältnis zu Russland
Die Nachbarschaft mit Russland müsse in Zukunft neue belebt werden. Er sei nicht prorussisch, sondern proeuropäisch und das heiße, Russland eine europäische Perspektive und gemeinsame strategische Option zu bieten. Denn das massive Aufrüsten sei wirtschaftlich schwierig für Moskau und könne so nicht lange durchgehalten werden. Allerdings müsse man Russland auch signalisieren, dass technische Intervention im Westen durch russische Stellen auch aus dem privaten Bereich nicht gehen.
Er widersprach zum Abschluss der vorrangig deutschen Sichtweise eines „französischen Vetos“ gegen die Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien. Es sei natürlich leicht, sich hinter der französischen Position zu verstecken, aber es gab auch andere Länder, die dagegen waren. Es gehe nicht darum, keine Verhandlungen mit Nordmazedonien zu beginnen. Er wolle aber zunächst, die Diskussionsregen für die Erweiterung verändern. Wenn dies geschehen sei, könne man auch mit den Verhandlungen beginnen. Er achte den serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic, er arbeite sehr gut. Was aber in Serbien vorgehe, sei russisch und chinesisch.
Ingo Hasewend aus München