Nach dem Rückzug des Wunschkandidaten des französischen Präsidenten für die Pariser Bürgermeisterwahl, Benjamin Griveaux, ist Gesundheitsministerin Agnès Buzyn in die Bresche gesprungen. "Ich mache das, ich will es", sagte die 58-Jährige am Sonntag. Ihr Ziel sei es zu gewinnen, fügte sie hinzu.
Buzyn gehört ebenso wie Griveaux der von Präsident Emmanuel Macron gegründeten Bewegung La République en Marche (Die Republik in Bewegung, LREM) an.
Macrons früherer Regierungssprecher Benjamin Griveaux hat sich nach der Veröffentlichung anzüglicher Videos und Chatnachrichten aus dem Rennen um das Pariser Rathaus zurückgezogen. "Eine Website und soziale Netzwerke haben abscheuliche Angriffe auf meine Privatsphäre verbreitet", sagte Benjamin Griveaux. Er wolle dies seiner Familie nicht länger zumuten.
In Umfragen hatte der 42-Jährige zuletzt eher schwach abgeschnitten. Die Präsidentenpartei La République en Marche (LREM) steht nun ohne offiziellen Kandidaten da. Ein russischer Aktionskünstler behauptet nun, die Videos verbreitet zu haben.
Screenshots veröffentlicht
Eine Webseite hatte in der Vorwoche Screenshots von anzüglich erscheinenden Chatnachrichten veröffentlicht, die angeblich von Griveaux stammen. Außerdem zeigt sie kurze Videos, auf denen zu sehen ist, wie ein Mann masturbiert - es ist aber nicht zu erkennen, um wen es sich dabei handelt. Auf der Webseite wird Griveaux Heuchelei vorgeworfen. Er hatte in seiner Erklärung weder bestätigt noch bestritten, dass die Videos und Nachrichten von ihm sind.
Rücktritt als Regierungssprecher
Griveaux war im vergangenen Jahr als Macrons Regierungssprecher zurückgetreten, um Pariser Bürgermeister zu werden. LREM ist bei den Wahlen in der Metropole allerdings gespalten angetreten: Auch der Mathematiker Cédric Villani aus Macrons Lager kandidiert - gegen den Willen des Präsidenten. Er war im Jänner aus der Partei ausgeschlossen worden. Seine Kandidatur schmälerte die Chancen des offiziellen Kandidaten Griveaux massiv. In Umfragen lag Griveaux zuletzt an dritter Stelle - hinter der sozialistischen Bürgermeisterin Anne Hidalgo und der konservativen Ex-Ministerin Rachida Dati.
Griveaux verkündete seinen Rückzug am Freitag in einem Video. Seit mehr als einem Jahr seien seine Familie und er Verleumdungen, Lügen und auch Morddrohungen ausgesetzt, sagte er. "Diese Schlammlawine hat mich betroffen, aber am meisten hat sie diejenigen verletzt, die ich liebe", sagte Griveaux.
Enger Macron-Vertrauter
Der von den Sozialisten kommende Politiker gilt als enger Vertrauter von Macron, er engagierte sich in dessen Kampagne zur Präsidentschaftswahl. Vielen wirkte er allerdings während des Wahlkampfs in Paris als zu blass. LREM-Parteichef Stanislas Guerini wollte nun prüfen, wie es weitergehen werde. Das Projekt solle fortgeführt werden, betonte er. Verschiedene Namen kursierten.
Einem Bericht der Zeitung "Libération" zufolge nahm der russische Aktionskünstler Piotr Pawlensky für sich in Anspruch, das Video zuerst veröffentlicht zu haben.
Er habe Griveauxs "Scheinheiligkeit" zur Schau stellen wollen, sagte Pawlensky der Zeitung. Die Aufnahme habe er von einer Person erhalten, die eine "einvernehmliche Beziehung" mit Griveaux gehabt habe. Pawlenski sagte, die Person, die sich als perfekter Ehemann inszeniere, "ist dieselbe Person, die gerne masturbiert und diese Handlung einer jungen Frau schickt. Es ist Verachtung für alle seine Wähler." Das Material habe er aus vertraulichen Quellen.
Mund zugenäht
Pawlensky ist bekannt für radikale Aktionen. Er hatte im Oktober 2017 Feuer an einer Zweigstelle der französischen Zentralbank gelegt. Er nähte sich auch aus Protest den Mund zu oder nagelte sich am Hodensack auf dem Roten Platz in Moskau fest. Pawlensky war Anfang 2017 aus Angst vor Verfolgung durch die Moskauer Behörden aus Russland geflohen und hatte in Frankreich Asyl erhalten.
Beben in Paris
Der Rückzug von Griveaux löste in Paris ein Beben aus. Er erhielt von Parteien aus dem gesamten politischen Spektrum Unterstützung. Regierungssprecherin Sibeth Ndiaye, seine Nachfolgerin in dieser Position, sprach von einer "Kampagne der Niedertracht". Die Pariser Bürgermeisterin Hidalgo - seine Konkurrentin - sagte: "Das ist der demokratischen Debatte (...) nicht würdig". Die Amerikanisierung der Politik sei verabscheuungswürdig, erklärte Sebastien Chenu vom rechten Rassemblement National. "Wir haben Besseres verdient."
Die erste Runde der Kommunalwahlen findet am 15. März statt. Die Hauptstadt hat wegen ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung einen großen Symbolcharakter. Die nächste Riesenherausforderung für die Millionenmetropole sind die Olympischen Spiele im Jahr 2024.