Die umstrittene Ministerpräsidentenwahl im Thüringer Landtag hat am Donnerstag auch im Bundestag zu einer emotionalen Debatte geführt. In einer Aktuellen Stunde, die von zahlreichen Zwischenrufen geprägt war, machten sich die beteiligten Parteien gegenseitig für das politische Beben verantwortlich, das von Erfurt ausging. Die Linke beklagte, CDU und FDP hätten es billigend in Kauf genommen, dass der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD gewählt wird. Die AfD wiederum bezeichnete es als undemokratisch, dass Kemmerich zurücktreten musste.
Selbstkritisch gab sich der FDP-Vorsitzende Christian Lindner: "Wir sind beschämt, weil wir der AfD ermöglicht haben, uns und darüber hinaus die parlamentarische Demokratie zu verhöhnen", sagte Lindner. "Dafür entschuldige ich mich namens der Freien Demokraten." Gleichzeitig kündigte er die Einsetzung einer Arbeitsgruppe an, um die Geschehnisse aufzuarbeiten. "Erfurt war ein Fehler, aber wir unternehmen alles, damit er sich nicht wiederholen kann."
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider sieht auch die CDU und ihre Abgrenzungsbeschlüsse als Teil des Problems. Die ostdeutschen Christdemokraten müssten sich klar werden, ob sie mit der "fatalen Gleichsetzung" von Linkspartei und AfD nicht in Wahrheit das Geschäft der politischen Rechten betreiben. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak verteidigte hingegen den Kurs seiner Partei und schloss eine Wahl des bisherigen Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow kategorisch aus. Ramelow sei ein Kandidat der Linken und werde deswegen keine Unterstützung bekommen - "wie jeder andere Kandidat der Linken für das Amt des Ministerpräsidenten".
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt rief in Richtung der AfD, wer die Demokratie bewusst zerstören wolle, der liebe dieses Land nicht. "Sie lieben dieses Land nicht. Sie wollen es brennen sehen und deswegen stehen die Demokratinnen und Demokraten hier gemeinsam auf." Die Linken-Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali warf der Union und den Freidemokraten in Thüringen einen bewussten Tabubruch vor: "Das war kein Versehen. FDP und CDU wussten, was passieren kann." Das sei alarmierend für den Zustand der Demokratie.
Schwere Vorwürfe
Schwere Vorwürfe gegen die anderen Parteien erhob auch AfD-Fraktionschef Alexander Gauland. Er nannte es "die natürlichste und demokratischste Sache der Welt", wenn ein demokratischer Abgeordneter von anderen Demokraten zum Regierungschef gewählt wird. Nicht normal sei es jedoch, das Ergebnis dieser Wahl rückgängig machen zu wollen.
Ziemiak griff in seiner Rede den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke an. "Es gibt einige, die sagen, warum nennt der CDU-Generalsekretär Herrn Höcke einen Nazi?" Ganz einfach, weil er erwiesenermaßen einer ist (...) und deswegen werde ich das auch weiterhin tun." Die ehemalige AfD-Chefin Frauke Petry, die inzwischen aus der Partei ausgetreten ist, warnte ebenfalls vor dem Thüringer Parteichef. Weil durch den Kemmerich-Rücktritt eine "bürgerliche Regierung" in Thüringen vereitelt werde, verhelfe man Höcke mittelfristig zum Bundesvorsitz der AfD. "Und Gott gnade diesem Land, was dann passiert." Während ihrer Zeit an der Parteispitze hatte Petry vergeblich versucht, Höcke aus der AfD auszuschließen.