Die Spitzen der großen Koalition in Deutschland sind Samstagmittag im Bundeskanzleramt in Berlin zusammengekommen, um über Konsequenzen aus der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen zu beraten. Kurz vor dem Treffen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Ostbeauftragten der Regierung, Christian Hirte, entlassen. Er war wegen eines Glückwunsch-Tweets für den mit AfD-Hilfe gewählten Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) kritisiert worden.
Das Treffen des Koalitionsausschusses war kurz nach der überraschenden Wahl Kemmerichs zum neuen Thüringer Regierungschef am Mittwoch angesetzt worden. Kemmerich war im dritten Wahlgang mit Stimmen von FDP, CDU und AfD gewählt worden.
Die SPD fordert deswegen von der Union Klarheit zur Abgrenzung von der AfD. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte am Freitag, sie wolle von der SPD wissen, "wie sie die Verantwortung in Thüringen wahrnimmt". Kramp-Karrenbauer fordert von SPD und Grünen, einen neuen Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt aufzustellen. Sie hatten bisher eine Minderheitsregierung unter Bodo Ramelow (Linke) angestrebt.
Die Entlassung Hirtes erfolgte am Samstagvormittag. Die Kanzlerin habe im Einvernehmen mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dem Bundespräsidenten die Entlassung des Parlamentarischen Staatssekretärs vorgeschlagen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Gründe für den Schritt wurden in der kurzen Mitteilung nicht genannt.
Hirte selbst hatte am Samstagvormittag im Kurzbotschaftendienst Twitter geschrieben, Merkel habe ihm mitgeteilt, "dass ich nicht mehr Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Länder sein kann". Er habe daher um seine Entlassung gebeten.
Der 43-Jährige, der auch stellvertretender Landesvorsitzender der CDU in Thüringen ist, hatte nach der Wahl Kemmerichs getwittert: "Herzlichen Glückwunsch. Deine Wahl als Kandidat der Mitte zeigt noch einmal, dass die Thüringer RotRotGrün abgewählt haben. Viel Erfolg für diese schwierige Aufgabe zum Wohle des Freistaats Thüringen!" Dies hatte scharfe Kritik insbesondere von SPD und Linken ausgelöst.
Merkel hatte am Donnerstag die von CDU und AfD ermöglichte Wahl Kemmerichs als "unverzeihlich" verurteilt. Deshalb müsse "auch das Ergebnis wieder rückgängig gemacht werden", sagte die Kanzlerin während eines Besuchs im südafrikanischen Pretoria.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken begrüßte die Entlassung Hirtes. "Für uns wäre sein Verbleib im Amt nicht tragbar gewesen", erklärte sie. Es blieben aber "noch viele schwerwiegende Fragen". SPD-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), Hirtes Gratulation sei "ein Verstoß gegen den demokratischen Konsens" gewesen, seine Entlassung deshalb "unumgänglich".
Der SPD-Landesvorsitzende in Thüringen, Wolfgang Tiefensee, schrieb auf Twitter, Hirte "darf aber nicht als Bauernopfer" als einzige Konsequenz herhalten, die die CDU aus den Vorgängen um die Ministerpräsidentenwahl ziehe.
Linken-Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch sagte dem RND: "Das war ein notwendiger und folgerichtiger Schritt." Er fügte hinzu: "Wer Kemmerich zur Wahl gratuliert, der hat im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst. Und er hat deshalb in der Bundesregierung nichts zu suchen."